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Der neue Bayreuther Ring im Buchformat:

Bermbach erklärt Wagner


Von Stefan Schmöe, Wuppertal
Dezember 2000



Die Bayreuther Festspiele rühmen sich gerne damit, eine "Werkstatt" zu sein - in dem Sinne, dass Inszenierungen kontinuierlich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt werden. Das hört sich schick an, wird aber vom Publikum und von der Presse kaum wahrgenommen. In der Tat sind die Veränderungen oft marginal, betreffen Details, die den Gesamteindruck nicht oder nur geringfügig ändern. So wird etwa Wolfgang Wagners Parsifal-Inszenierung nicht deshalb weniger einschläfernd, weil das vom Modelleisenbahnbau inspirierte Bühnenbild gelegentlich variiert. Radikale ästhetische Änderungen sind rar: Chereau hat in seinem "Jahrhundert-Ring" das Bühnenbild stellenweise völlig verändert, oder, um ein Negativ-Beispiel zu nennen, nach dem Tode Heiner Müllers wurde dessen Tristan zur Unkenntlichkeit banalisiert.

Wenn nun ein Bildband schon nach dem ersten Festspieljahr einer Neuinszenierung erscheint, noch dazu von Mitarbeitern des Regieteams herausgegeben, dann hat entweder die Inszenierung ihr finales Stadium erreicht, oder das Buch verzichtet auf den Anspruch, eine auch nur einigermaßen vollständigen Dokumentation darzustellen. Der aufwendig gestaltete Band über Jürgen Flimms Inszenierung von Der Ring des Nibelungen, gerade rechtzeitig für die letzten Weihnachtseinkäufe erschienen, erhebt zumindest optisch den Anspruch auf Endgültigkeit. Von Hermann und Clärchen Baus sehr schön fotografiert, wobei dynamische Detailaufnahmen und der Blick in die Bühnentotale in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, überragt der Bildteil die meisten vergleichbaren Dokumentationen früherer Bayreuther Ring-Inszenierungen. Das Verlagshaus Propyläen hat hier keine Mühe gescheut - das ist sicher kein Produkt, das so schnell ersetzt werden soll.

Von den Beratern des Regisseurs (und das waren die Herausgeber Udo Bermbach und Hermann Schreiber) erwartet man nun nicht, dass sie mit der Inszenierung kritisch umgehen. Darunter leidet der Textteil über weite Strecken merklich. Bermbach scheint geradezu panische Angst davor zu haben, dass die Inszenierung missverstanden werden könnte. Schon in Bayreuth hat er Interpretationshilfen (auch via Internet) verteilen lassen, und sein Einführungstext hangelt sich linear am Geschehen entlang und erläutert etliches, was dem Zuschauer beim ersten Sehen nicht bewusst geworden ist - und jetzt vermutlich ziemlich banal vorkommt. Wichtiges sagt Bermbach auch gerne zweimal. In Interviews mit dem Regieteam lässt er sich manches noch einmal bestätigen.

Belanglos sind die Interviews mit den Sängern der Hauptrollen, denn die sagen durchweg ein paar nette Worte über Herrn Flimm und nicht viel mehr. Symptomatisch für den Erkenntniswert sind die einleitenden Worte über Plácido Domingo: "Domingo zählt mit Luciano Pavarotti und José Carreras zu den Startenören des 20.Jahrhunderts", oder über Wolfgang Schmidt: "Sein Privatleben versucht er vor unerwünschter Öffentlichkeit zu bewahren." Der einzig wirklich lesenswerte Beitrag - und der ist nun äußerst spannend - sind die nach Art eines Tagebuchs von Hermann Schreiber verfassten Notizen zur Entstehung der Produktion. Dieser ausgesprochen lebendige Aufsatz, der viel von der (gar nicht so friedlichen) Atmosphäre am "Grünen Hügel" vermittelt, macht den didaktischen Tonfall der anderen Texte wett.

Natürlich kann der Band nur einen sehr eingeschränkten dokumentarischen Anhang haben, da der Inszenierung ja noch einige, angesichts der offenen Führungsfrage der Festspiele möglicherweise turbulente Jahre bevorstehen. Ein Überblick über die Reaktionen der Presse auf die Inszenierung fehlt leider ganz. Dafür sind eine Diskographie und ein (sehr) knappes Literaturverzeichnis vorhanden. Die Besetzungsliste nennt nur die "Premierenbesetzung" - Cheryl Studer, die im 2. Zyklus kurzfristig für die erkrankte Waltraud Meier die Sieglinde übernahm, wird mit keinem Wort erwähnt. So viel Chronistenpflicht hätte man von Bermbach und Schreiber wohl verlangen dürfen.




Cover



Udo Bermbach / Hermann Schreiber (Hrsg.)
Götterdämmerung - Der neue Bayreuther Ring.
Fotografiert von Hermann und Clärchen Baus.

Propyläen Verlag, Berlin 2000.
ISBN 3-549-07131-0



Da capo al Fine

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