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Irene Bazinger (Hrsg.)
Regie: Ruth Berghaus
Geschichten aus der Produktion




Die Unbestechliche

Von Joachim Lange

Für die Einen ist die Regisseurin Ruth Berghaus heute noch, 15 Jahre nach ihrem Tod, ein rotes Tuch. Andere wieder berufen sich auf sie. "Berghaus-Schüler" gilt da als Markenzeichen. Ihre Dresdner Elektra wurde erst im letzten Jahr aus dem Repertoire verabschiedet. In Berlin kann man noch immer ihren legendären, verspielt hintergründigen Barbier von Sevilla erleben. Ansonsten aber lebt Ruth Berghaus (1926-1996) mittlerweile vor allem als Legende fort. Sie war Palucca-Schülerin, wurde von Brechts Theaterästhetik geprägt und verschaffte dem Musiktheater eine neue Dimension von Körperlichkeit. Sie war Helene Weigels Stellvertreterin am Berliner Ensemble und hielt dann für einige Jahre auch als Intendantin dieses Theaters den Dauerclinch mit den Brecht-Erben durch.

Mit ihrem Porträtband "Regie: Ruth Berghaus. Geschichten aus der Produktion", das zu ihrem 15. Todestag am 25. Januar erschien, ist der Kritikerin Irene Bazinger eine facettenreichen Annäherung an die Künstlerin und den Menschen Ruth Berghaus gelungen, die zu den faszinierendsten Persönlichkeiten des Musiktheaters ihrer Zeit gehört. Sie war mit dem Komponisten Paul Dessau verheiratet und fest in der DDR verwurzelt. Mit ihrer nicht immer auf Anhieb verständlichen Symbol-Ästhetik und einer nie vordergründig politischen, aber doch stets verbindlichen Aussage prägte sie das gesamte Musiktheater des ausgehenden 20. Jahrhunderts entscheidend mit. Wenn sie in der DDR aneckte, dann mochte man das zu einem Teil einer engstirnigen Kulturpolitik zuschreiben. Dass ihre Arbeiten aber auch im Westen zum Synonym für ein Regietheater wurden, das heftigste Pro- und Kontra-Reaktionen auslöste, hat wohl eher etwas mit der ästhetischen Radikalität, der Kreativität und dem Selbstbewusstsein der Künstlerin Berghaus zu tun. Es gehört zu den Phänomenen der deutsch-deutschen Kulturgeschichte, dass die führende DDR-Regisseurin ausgerechnet in Frankfurt/Main mit ihren Parsifal- und Ring-Produktionen Maßstäbe setzen konnte.

Von seiner Zusammenarbeit mit ihr berichtet der Dirigent Michael Gielen ausführlich in einem Gespräch. In Ostberlin an der Lindenoper war sie über das Rheingold nicht hinausgekommen. Dort ließ sie beim Einzug der Götter in Walhall eine übergroße Kitschpostkarte mit dem Schloss Neuschwanstein darauf aus dem Schnürboden herabsinken. Solche Kartengrüße waren nicht beliebt bei den damals Mächtigen. Dass sie dennoch immer zu ihrem Staat stand, hat vor allem die im Westen lebenden Partner der Regisseurin geradezu verblüfft. Jürgen Flimm etwa erzählt, dass sie sich nicht mal einen Teil ihres Honorars an den offiziellen Kanälen vorbei (wie üblich) in D-Mark auszahlen ließ, um ihren Staat nicht zu betrügen, wie sie meinte.

Irene Bazinger hat einen Band mit 30 Beiträgen zusammengestellt, in dem enge Weggefährten, Schüler, Bewunderer und Kollegen zum Teil sehr persönlich von ihren Begegnungen und der gemeinsamen Arbeit mit Ruth Berghaus berichten. Dazu gehören der gerade verstorbene Joachim Herz, die Regisseure Achim Freyer, Hans Neuenfels, der Bühnenbildner Erich Wonder, bedeutende Sängerinnen wie Anja Silja, Catarina Ligendza, oder eben Schüler wie der ehemalige Meininger Chefregisseur Sebastian Baumgarten.

In deren Erinnerungen entsteht nicht nur das Bild einer fordernden, zum Teil auch kompromisslos und hart agierenden Arbeiterin, scharfen Analytikerin und genialen Regisseurin, sondern quasi nebenbei auch ein interessanter Einblick in die Befindlichkeiten der deutsch-deutschen Kulturszene in Zeiten der Teilung. Ruth Berghaus blieb auch nach dem Ende der DDR bei ihren politischen Überzeugungen, was in ihren letzten Jahren nicht ohne Bitterkeit abging. Ihre Lebensleistung wird davon nicht berührt. Heute gelten ihrer einst so heftig attackierten Arbeiten weitgehend als Klassiker und sie selbst als eine überragende Gestalt des Musiktheaters des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

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Cover

Irene Bazinger (Hrsg.):
Regie: Ruth Berghaus.
Geschichten aus der Produktion

Rotbuch Verlag Berlin 2010
304 Seiten
geb., mit Bildteil
22,95 €
ISBN 978-3-86789-117-2

Weitere Informationen unter:
www.rotbuch.de




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