Feuilleton | |
Ein Blick auf den Poeten Mozart:Literarische Fürze eines Musikers
Ich johannes Chrisostomus Amadeus Wofgangus sigismundus Mozart giebe mich schuldig, daß ich vorgester, und gestern |: auch schon öfters :| erst bei der nacht um 12 uhr nach haus gekommen bin; und dass ich von 10 uhr an bis zur benennten stund beym Canabich, in gegenwart und en Compagnie des Canabich, seiner gemahlin und dochter, H: schazmeister, Raam und lLang, oft, und - - nicht schweer, sondern gaz leichtweg gereimet habe; und zwar lauter Sauereyen, nemmlich, vom Dreck, scheissen und arschlecken, und zwar mit gedanken, worten und --, aber nicht mit wercken. Was Mozart hier am 14. November 1777 aus Mannheim an den Vater schrieb, beschreibt recht treffend, was der Wiener Musikwissenschaftler und profunde Mozart-Kenner Gernot Gruber für das vorliegende, knapp 70 Seiten dünne Buch ausgewählt hat: Allerlei Passagen, die übervoll sind von Kraftausdrücken und allem, was man gemeinhin aus Gründen bürgerlicher Konvention besser zu verschweigen pflegt. Aus seinem poetischen Hirnkasten, daher der Titel des Bändchens, entstammt ein (gereimter) Rat an seine Schwester für das Eheleben, das Ehstandsgedicht aus einem Brief vom 18. August 1784. Der Wiener Zeichner Walter Schmögner hat mit leichter Feder allerlei (begrenzt jugendfreie) Zeichnungen dazu beigesteuert, die den Text adäquat bebildern. Die Zeiten, in denen man solch derbes Zeug peinlich verschwiegen hat, um das Bild vom Götterliebling Mozart nicht zu verunstalten, sind natürlich längst vorbei; mit Wolfgang Hildesheimers Mozart-Biografie einerseits, vor allem aber durch Milos Formas Filmerfolg Amadeus hat sich die Sichtweise auf den Komponisten in breiten Kreisen gewendet. Heute zeigt der Bildungsbürger Toleranz gegenüber solchen Provokationen, die keine sind. Darin liegt auch die Gefahr dieses Bändchens: Wie geschaffen, um repräsentativ im Bücherregal die überlegen liberale Gesinnung des Besitzers zu verkünden. Dass Aus dem poetischen Hirnkasten diesem Schicksal entgeht, verdankt es neben Schmögners Bildern einem Essay, den Gruber als Nachwort beigesteuert hat. Darin ordnet er Mozarts literarisches Schaffen realistisch ein, beleuchtet auch dessen literarische Kenntnisse (die vermutlich begrenzt, jedenfalls unsystematisch und zufällig waren, soweit sie nicht Opernlibretti betrafen). Dadurch bekommt die Sammlung einen nachhaltigen Sinn, kann gelesen werden als populärwissenschaftliches Brevier der schriftstellerischen Kreativität des Musikers (der höhere literarische Weihen nie beansprucht, vielmehr, so Gruber, seine Poesie vor allem als Ventilfunktion benötigte). Ob hinter den sprachlichen Absurditäten ein generelles Misstrauern gegenüber Sprache, gar eine Destruktion von Sprache steht, wie Gruber ganz vorsichtig spekuliert, bleibt mehr Gedankenspiel als These. Jedenfalls empfiehlt es sich, das Büchlein von vorn, dann aber, mit Grubers Kommentar im Gepäck, kreuz und quer zu lesen und nicht im Regal verstauben zu lassen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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