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Gaetano Donizetti
Mary Stuart




Dame Janet Bakers Mary Stuart nun auch optisch

Von Thomas Tillmann

Donizettis Maria Stuarda gehört zu den großen Rollen der wunderbaren, unvergessenen Dame Janet Baker, und mit der schottischen Königin verabschiedete sie sich auch 1982 von der Londoner Opernbühne. Auf Tondokumenten war ihre Interpretation längst erhältlich: Neben dem seit einigen Monaten bei Ponto/Mitridate erhältlichen Mitschnitt vom 13. Dezember 1973, bei dem Pauline Tinsley, Keith Erwen, Don Garrard, Christian Du Plessis und Audrey Gunn ihre Partner sind, kennt man natürlich die Chandos-Liveaufnahme aus dem Londoner Coliseum, zu der die vorliegende DVD aus BBC-Quellen nun das Bild liefert (das es natürlich auch schon auf Video gegeben hat). Dass hier wie dort nicht im italienischen Original gesungen wird, sondern in englischer Übersetzung, mag mancher bedauern - wirklich störend ist es nicht, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, zumal diese Sprache die historischen Vorbilder benutzt haben.

Und dann sieht man auch darüber hinweg, dass Mary Stuart eigentlich für eine Sopranstimme geschrieben worden ist und man für diese Fassung einige kleinere Veränderungen vornehmen musste. Tatsache ist, dass Dame Janet mit ihrem ausdrucksstarken Gesicht und dem jenseitigen Blick einfach in jeder Sekunde und mit jeder Phrase die vollendete Inkarnation der schottischen Königin ist. Und in welch exzellenter Form sie sich am Ende ihrer Karriere befindet! Wo soll man anfangen bei der Beschreibung der vokalen Meisterschaft der Baker, des edlen, vollmundigen Klanges der durchaus wendigen, zu allerlei kreativen Verzierungen zu bewegenden Stimme, der exzellenten Höhe, der vollendeten Schwelltöne etwa in der Schlussszene? Ihr Gesang könnte wie der des mythischen Sängers Orpheus (den sie gleichfalls beispielsetzend in der Gluck-Oper interpretiert hat) wilde Tiere bezwingen und Steine erweichen, und sie schafft es tatsächlich, auch dem Rezensenten am Ende die Tränen in die Augen zu treiben, wenn unter der großen Robe das rote Totenkleid sichtbar wird und sie mit bereits verbundenen Augen nach dem Kreuz greift.

Rosalind Plowright, die schon zu Beginn ihrer Karriere zwischen Sopran- und Mezzopartien schwankte, sich Mitte der achtziger Jahren vor allem als Verdisopran einen Namen machte und in den letzten Jahren mit Partien wie Kundry, Fricka und Amneris wieder als Mezzosopran hervortrat, ist mit entschlossenem, kraftvollen und glänzend fokussierten Ton und einigen effektvollen Acuti eine Wucht als eifersüchtig-zickige, biestige englische Königin, ohne dass ihr Portrait eindimensional geriete. Ich mag auch den angenehm timbrierten lyrischen Tenor von David Rendall, der mit schönem Legato, durchaus viriler Färbung und großer Emphase einen sympathischen, naiv-schwärmerischen Leicester gibt. John Tomlinson ist ein gleichermaßen strenger wie trostspendender Talbot, Alan Opie hat den satten, in allen Lagen präsenten Bass und das Charisma für den unerbittlichen Stuart-Feind Cecil, Angela Bostock heißt die diskrete Hannah Kennedy in richtigem Leben. Sehr bei der Sache und in großer Form präsentiert sich der Chor. Sir Charles Mackerras sorgt für große Transparenz im Graben und ist Garant für große Sorgfalt, mitunter allerdings könnte das Orchesterspiel für meinen Geschmack noch etwas mehr Drive haben.

John Copleys Regie vertraut in erster Linie auf die darstellerischen Fähigkeiten seiner immens involvierten Protagonistinnen, und das ist in diesem Fall auch richtig so: Wie die beiden Königinnen sich umkreisen, wie Elizabeth ihre Reitpeitsche zerbricht, nachdem sie sich von Mary die Wahrheit hat sagen lassen müssen, das wirkt schon für sich und wird vom Publikum mit frenetischem Beifall quittiert, als die beiden Damen friedlich vereint vor den Vorhang treten. Desmond Heeley setzt bei seiner Ausstattung auf einige wenige Bühnenversatzstücke und viel falschen Marmor, in erster Linie aber auf die Wirkung der prachtvollen historisierenden Roben. Für Orientierung angesichts der wechselnden Handlungsorte sorgen die entzückenden Kamerafahrten über eine historische Karte, und auch sonst hat Peter Butler bei der Videoregie ganze Arbeit geleistet.

Es bringt offenbar nichts, sich über die lieblose Ausstattung der DVDs aus dem Hause Warner zu beklagen; dass aber bei den Vorhängen nicht einmal mehr Bild und Ton übereinstimmen, ist eine Schlamperei, die nicht passieren darf (und wenn das bei der BBC schon so war, dann muss man eben darauf hinweisen!), denn schließlich verschenkt die Firma ihre Produkte ja nicht, sondern lässt sie sich bezahlen.


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Gaetano Donizetti
Mary Stuart

Oper in drei Akten
Libretto von Giuseppe Bardari
Englische Übersetzung von Tom Hammond

Janet Baker - Mary Stuart
Rosalind Plowright - Queen Elizabeth I.
David Rendall - Robert Dudley, Earl of Leicester
John Tomlinson - George Talbot, Earl of Shrewsbury
Alan Opie - Sir William Cecil
Angela Bostock - Hannah Kennedy
Leigh Maurice - Garter King at Arms

Chor und Orchester der English National Opera
Dirigent: Sir Charles Mackerras

Regie: John Copley
Bühne und Kostüme: Desmond Heeley
Licht: Robert Bryan
Videoregie: Peter Butler

Aufnahme: London, 1982
Warner Music Vision
504678028-2 (1 DVD)


Weitere Informationen unter:
www.warnerclassics.de




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