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Richard Wagner:
Tristan und Isolde


Nur für ganz Harte

Von Thomas Tillmann


Am 8. Februar 2004 gab es im Sofioter Kulturpalast eine konzertante Aufführung von Wagners Tristan und Isolde, die die New Yorker Firma Titanic Records als Live-Mitschnitt herausgegeben hat. So sehr man den Mut der Verantwortlichen bewundert, so wenig vermag das Gehörte überzeugen.

Die hierzulande vor allem aus Chemnitz bekannte Susan Marie Pierson verstört als Isolde mit einer glanzlosen Stimme, die deutlich hörbare Gebrauchsspuren wie ein ausladendes Vibrato und einen ältlichen Klang aufweist, über die sich ein unattraktiver Grauschleier gelegt hat, die erhebliche Schärfe aufweist, besonders bei den zwar irgendwie erreichten, aber doch sehr flachen Spitzentönen, und die ich anders als der Werbetexter auf ihrer Homepage nicht in einer Sekunde als schön und kraftvoll empfinde (dass sie unter anderem an den Opernhäusern von Chicago und San Francisco, an der Met und an der Scala gesungen hat, heißt wenig in diesen Tagen). Daneben gibt es wildes Geschrei und unschönen Sprechgesang, den dem Genre Ferne vielleicht mit Expressivität verwechseln, Atmen an Stellen, wo es gerade nötig ist, und mit dem deutschen Text tut die Amerikanerin sich auch nicht leicht, was einer wirklichen Interpretation natürlich im Wege steht, auch und gerade im Liebestod, dem überflüssiger Applaus folgt.

Nicht besser ist es um den männlichen Protagonisten bestellt: Marc Deaton findet bei seinem Rollendebüt nicht nur manchmal ganz individuelle Lösungen (was nichts anderes heißt, als dass er falsche Töne singt, auch wenn auf seiner Homepage, die beängstigend viele Rollen des dramatischen Fachs nennt, sich aber mit Angaben zu Auftrittsorten außerhalb Bulgariens, Rumäniens und Thailands eher zurückhält, gerade seine "secure intonation" hervorgehoben wird, die ich bisher bei professionellen Sängern für selbstverständlich hielt!), sondern sich auch gern des gesprochenen Wortes bedient, wenn das Singen schwerfällt, und das tut es häufig: Länger gehaltene Töne lassen einen nicht unerheblichen wobble erkennen, sie flackern, sind völlig aus dem Fokus und zum Teil gänzlich ohne jede Farbe, die relativ helle, streckenweise greinende, ausgeleierte Stimme, die an einen langgedienten, krähenden Mime-Interpreten oder einen pensionierten Operettenbuffo denken lässt, weist bereits vor der Einnahme des Liebestrankes Ermüdungserscheinungen auf, und auch Textfehler bemerkt man, was bei einer konzertanten Aufführung nicht nötig ist, bei der ja wohl Klavierauszüge auf dem Podium erlaubt waren. Man wird den Eindruck nicht los, dass hier ein Sänger mit ursprünglich lyrischem, aber nicht besonders attraktivem Material durchschaut hat, dass es im dramatischen Fach mehr Arbeit und Geld gibt, und sich deshalb auf letztgenanntes konzentriert, unterstützt von einer Plattenfirma, die im Laufe diesen Jahres auch noch eine gänzlich überflüssige Aufnahme des Künstlers mit Strauss' "Vier Letzten Liedern" herausbringen will - man schüttelt ungläubig den Kopf über soviel Ignoranz und Chuzpe! Im Liebesduett hört man stellenweise nur noch heiseres Gekreische, dass den Titelinterpreten peinlich sein müsste und das wahrlich nicht Hörerinnen und Hörern in der ganzen Welt vorgeführt werden muss! Nein, auch in diesen Zeiten reicht es nicht, unter der Last dieser gewiss schwierigen Partien nicht zusammenzubrechen und eine Vorstellung irgendwie durchzustehen - auf solch bescheidenem Niveau schaffen das schreiend, stemmend und sprechend auch ambitionierte Hobbysänger, zumal die Aufnahmen ja im New Yorker Studio aufbereitet worden sind. Und auch das darf man nicht vergessen: Niemand hat diese Menschen gezwungen, ihre Verträge zu unterschreiben, und eine Gage hat es für die sängerischen Bemühungen sicher auch gegeben.

Gwendolyn Jones war Mitte der siebziger Jahre als Mezzo an der San Francisco Opera engagiert (diverse Mitschnitte aus diesem Haus dokumentieren sie in kleinen und kleinsten Partien, etwa als Clotilde neben der Sutherland im Jahre 1972) und hat auch an vielen anderen amerikanischen Opernhäusern gastiert, zum Teil auch in größeren Partien. Auf diesem Mitschnitt hört man indes eine sehr in die Jahre gekommene Comprimaria-Stimme, deren verschiedene Register reichlich brutal gegeneinander abgesetzt sind, wobei besonders die harsche Tiefe eine Prüfung für den sensiblen Zuhörer darstellt und die Mehrzahl der Töne nicht leicht erreicht, mitunter auch gepresst oder auch einfach scheppernd klingt. In weniger exponierter Lage (etwa zu Beginn des zweiten Aktes) hat sie immerhin ihre Momente und gibt sich auch mehr Mühe mit dem Text als die Mehrzahl der Kollegen, ohne diesen wirklich überzeugend präsentieren zu können.

David Malis bellt und stemmt sich als Kurwenal durch seinen ersten Auftritt, der bereits jede Menge rauher, kratziger Töne erhält und eine ausgebleichte Höhe erkennen lässt - Sprechgesang at its worst, heißt hier mein Urteil, pardon, man kann diese Partie auch singen. Immerhin hatte er doch 1985 den berühmten Wettbewerb in Cardiff gewonnen, sich dann einen Namen als Ford in Verdis Falstaff gemacht und war wie die übrigen Mitwirkenden unter anderem in San Francisco und an der Met aufgetreten (all diese biografischen Informationen musste der Rezensent übrigens in zeitaufwändiger Arbeit selber im Internet recherchieren, die Firma schweigt sich da aus!).

Nur einen kleinen Lichtblick kennt diese Aufnahme: Der als Sarastro aus Stuttgart bekannte Ethan Herschenfeld ist ein an Jahren noch junger König Marke (er singt ihn demnächst auch in Turin, am La Fenice wiederum Sarastro), aber auch wenn die in der unteren Lage erstaunlich dunkle, etwas trockene Stimme in der mitunter viel Druck bei der Tonproduktion erfordernde Höhe ein wenig an Qualität verliert, ist er doch der einzige, der nicht permanent mit vokalen Problemen kämpft, sondern sich auch auf die Rolle und Wagners Worte einlassen kann, ohne dass er freilich an erste Interpretationen herankommen würde.

Glen Cortese, Musikdirektor des Western New York Chamber Orchestra, Künstlerischer Leiter der Oregon Mozart Players und Musikdirektor des New York Chamber Sinfonia, in den neunziger Jahren auch sieben Jahre lang Musikdirektor in Altenburg, hält die Fäden zwar einigermaßen (!) in der Hand, aber ein neues Kapitel in der Rezeption des Werkes schlägt auch er nicht auf am Pult des bulgarischen Festivalorchesters, das keine allzu große Erfahrung mit der Musik Richard Wagners haben dürfte; klappernde Einsätze und Spielfehler kann er nicht verhindern, und es gibt nicht wenige Momente, in denen man sehnsüchtig an andere Aufnahmen denkt und allzu häufig auf die Uhr schaut.

Sammlern, die jede Aufnahme brauchen, wird man dieses Produkt nicht ausreden können, auch nicht denen, die mit begrenztem Budget Wagnervorstellungen besetzen müssen und nach Alternativen für die prominenten Namen suchen, die ja auch häufig nicht halten, was sie versprechen. Wer aber wirkliche vokale wie interpretatorische Kompetenz bei Tonkonserven sucht, dem sei doch eher abgeraten von dieser auch nicht durch orchestrale Ruhmestaten, aufschlussreiches Begleitmaterial oder einen kleinen Preis (immerhin $ 49 zuzüglich Versandkosten!) überzeugende Aufnahme. Noch einmal: Nicht jeder gesungene Ton gehört auf Konserven!


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Cover

Richard Wagner:
Tristan und Isolde


Marc Deaton - Tristan
Susan Marie Pierson - Isolde
Gwendolyn Jones - Brangäne
David Malis - Kurwenal
Ethan Herschenfeld - König Marke
Timothy Jon Sarris - Seemann/Melot/Ein Hirt
Peter Yanakov - Ein Steuermann

Bulgarian Festival Orchestra and Chorus
Dirigent: Glen Cortese

Aufnahme:
National Palace of Culture, Sofia, 8. Februar 2004


Titanic Records Ti-261









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