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Georges Bizet
Carmen
Hochglanz-Carmen in mondbeschienener Arena
Von Stefan Schmöe
Bei Opernaufführungen in der Arena di Verona wird man subtile Kammerspiele sicher nicht erwarten. Dementsprechend inszeniert Altmeister Franco Zeffirelli Bizets Carmen, 2003 vom italienischen Fernsehen RAI aufgezeichnet und jetzt auf DVD veröffentlicht, als üppiges Ausstattungstheater per excellence Heerscharen von Sängern, Tänzern und Komparsen in hübsch anzusehenden, farbenfrohen Kostümen (Giuseppe di Filippi Venezia) über die historische Bühne, und auch an echten Pferden lässt es der Regisseur nicht fehlen. Dass man mit derartigem falsch verstandenen Naturalismus der Opernwahrheit nicht unbedingt nahe kommt, ist keine neue Erkenntnis, und in der Menschenmenge und zwischen allerlei Pappmachéfelsen wird die eigentliche Geschichte fast beiläufig erzählt, als käme es nicht so darauf an. Auch bei Schlüsselszenen in Großaufnahme sieht man oft im Hintergrund irgendeine (überflüssige) Parallelaktion. Aber darauf kommt es an diesem Ort wohl auch nicht an; eher auf den optischen Gesamteindruck und die Tanzeinlagen Carmens penetrantes Hochglanzlächeln für den Werbeprospekt sieht man am Bildschirm zweifelsohne weitaus besser als von den weit entfernten Stufen der Arena. Ähnlich geht es musikalisch zu: da wird recht pauschal musiziert, ohne allzu sehr ins musikdramatisch wichtige Detail zu gehen. Dirigent Alain Lombard neigt zu straffen, unbeweglichen Tempi, wohl um den Riesenapparat zusammenzuhalten (was auch weitgehend gut gelingt); das (ordentliche) Orchester der Arena di Verona liefert die passenden Klangfarben. (Gleiches kann man vom Chor, der vor allem in den Alt-Stimmen grässlich wabert, nicht unbedingt sagen.) Marina Domashenko singt die Titelrolle mit einer in der Mittellage schönen und durchaus sinnlich abgedunkelten Stimme, die im oberen Register allerdings unkontrolliert und farblos wird. Allzu sehr verlässt sich die Sängerin aber allein auf die Klangfarbe und spult ihre Partie ziemlich schematisch und wenig raffiniert ab. Marco Berti ist ein arg tumber Don José, zwar italienisch-höhensicher, aber ohne jede französische Eleganz. Raymond Aceto ist ein nüchterner Escamillo ohne Schmelz. Maya Dashuk ist als Micaela eine Fehlbesetzung die Stimme ist zu dramatisch und mit einem fast mechanischen Dauervibrato unterlegt. Ein wenig bieder darf (muss) die Rolle ja gesungen werden, aber eben auch anrührend und das ist Frau Dashuk wahrlich nicht. Unter musikalischen oder regietheatralischen Gesichtspunkten wird man sicher nicht zu dieser Aufnahme greifen. Was sie interessant macht ist, dass die Atmosphäre in der Arena di Verona recht gut eingefangen ist, mit viel Mond, dem langsamen verlöschen des Abendlichtes, mit gelegentlichem Wechsel auf die Totale (man erkennt dann absolut nichts mehr), mit einem Publikum, das zwischendurch mitklatschen darf. Wenn man sich darauf einlassen will, funktionieren Musik und Szene und fallen die genannten Einwände nicht unbedingt ins Gewicht. Kurz: Eine DVD, deren wahrlich ausgezeichnete Bildqualität man vielleicht am besten mit einem guten italienischen Rotwein in der Hand und Urlaubserinnerungen im Kopf genießt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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