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Jane Eaglen:
Italian Opera Arias


Traurige Entwicklung

Von Thomas Tillmann


"Ich bin der einzige Mensch, der wirklich auf diese Stimme aufpassen kann. Ich möchte noch mindestens 25 Jahre singen", sagte die britische Sopranistin Jane Eaglen vor wenigen Jahren zum Rezensenten, als er sie während der Proben für eine konzertante Walküre interviewte. Damals klagte sie auch über den Trend in der Opernszene, immer jüngere Sängerinnen und Sänger die schweren Partien ihres Fachs singen zu lassen. Ihr neuestes Recital mit italienischen Arien zeigt, dass sie selbst Opfer dieses Betriebs geworden ist (als Beispiel sei erwähnt, dass sie im Sommer 1998 in Seattle ihr Rollendebüt als Isolde gab und zehn Vorstellungen innerhalb eines Monats zu singen hatte!), denn die Aufnahme lässt allzu deutlich erkennen, welchen Effekt die beklagte Ausbeutung haben kann - und dass ein so extensives Singen an allen großen Häusern dieser Welt offenbar auch keine künstlerische Entwicklung mehr zulässt, denn ebenso schlimm wie die vokalen Verschleißerscheinungen fallen künstlerisch-interpretatorische Defizite ins Gewicht. Da nützen auch die vollmundigen Hymnen im Begleitartikel zur vierten Solo-CD der Künstlerin nichts: In einem Atemzug mit Lilli Lehmann, Kirsten Flagstad und Birgit Nilsson ist die Engländerin sicher nicht zu nennen, sie ist auch nicht die technisch souveräne Besitzerin einer riesigen, aber dennoch flexiblen Stimme, die raffinierte Musikerin und Ausdrucksspezialistin, als die Benjamin Folkman sie preist.

Schon vom Timbre her scheint mir Jane Eaglens Sopran nicht gerade prädestiniert fürs italienische Fach zu sein: Man hört mit einiger Bestürzung einen recht steifen, alles andere als leicht ansprechenden (manche Phrasen werden schlicht unterbrochen, um unbequeme Acuti vorzubereiten), schlecht fokussierten und matronal reifen Sopran von recht durchschnittlicher Qualität, in den sich wie bei einer Sängerin im Spätherbst einer Dekaden dauernden Karriere ein mitunter die Toleranzgrenze mehr als streifender wobble eingegraben hat (besonders unangenehm bei den lang gehaltenen Tönen am Ende der Tosca-Arie zu hören), der in der Extremhöhe, die manchmal wie eine gesondert eingespielte Stimme für sich klingt, nicht selten eng, spitz und grell wird, der in dieser Lage von einer sicheren, kontrollierten Intonation und Emission mitunter weit entfernt ist (zum Beispiel am Ende der Wally-Arie), der in einer kaum variierten Einheitslautstärke vorgeführt wird, der über eine sehr begrenzte Anzahl von Farben und Schattierungen verfügt und einfach nicht wirklich rund und reich, sondern seltsam zweidimensional, flach und ausgebleicht klingt.

Nun nähme man ja manche Schwachpunkte noch zähneknirschend in Kauf, wenn die Interpretationen des bekannten Repertoires packten oder neue Erkenntnisse offenbarten. Leider besitzt die Sopranistin aber auch nicht das geringste Gefühl für sinnvolle Phrasierungen, für die Bedeutung der vorgesehenen Worte (wenn man Geld für einen Vocal Consultant hatte, hätte man sich sicher auch noch einen Language Coach leisten können, wirklich fehlerfrei oder gar idiomatisch ist das Italienisch der Britin nämlich nicht) und für das gerade bei Verismo-Arien so wichtige Timing. Besonders in den Cilea-Szenen wird deutlich, was ihr an gestalterischer Raffinesse fehlt - Vieles wirkt schlicht nicht ausreichend vorbereitet, wie vom Blatt gesungen. Eine seriöse Auseinandersetzung mit den Werken, mit den Gefühlslagen der portraitierten Frauenfiguren ist nicht erkennbar, manches kommt einem direkt unbeteiligt vor (wie etwa die "Wahnsinnsszene" der Margherita, deren Triller man wahrlich auch schon präziser gehört hat), alles klingt gleich und belanglos, und das obwohl die Sopranistin als Tosca, Butterfly, Turandot, Gioconda oder Santuzza ja durchaus Bühnenerfahrung hat. Ich habe weder die Jugend und Hilflosigkeit einer Cio Cio San oder Margherita hören können noch ist mir aufgefallen, dass sie in Turandots Erzählung in der Lage gewesen wäre "to pay out more and more sound as the narrative progresses to its exstatic close", ich habe die "variety of colors" in Giocondas "Suicidio" und die "intimacy and simplicity" in Suor Angelicas "Senza mamma" schmerzlich vermisst, die versprochen werden. Und dass ein als hochdramatisch gepriesener Sopran am Ende von Fidelias Abschied vom toten Helden Edgar und im Osterchor der Cavalleria rusticana über die Kollektive kommt, erwarte ich bei einer Studioaufnahme, bei der ein ganzes Heer von Tontechnikern notfalls nachbessern kann! So weit her ist es mit der Üppigkeit und Kraft der Stimme nämlich ohnehin nicht, denn die in der Tradition einer Dame Eva Turner dreimal wiederholte Schlussphrase des Turandot-Auftritts gerät doch arg knapp und angestrengt, wie es der Künstlerin überhaupt Schwierigkeiten zu machen scheint, längere Zeit in einer hohen Tessitura zu singen.

Carlo Rizzi kann am Pult des Londoner Orchesters zwar nicht viel retten, lässt aber etwa in der expressiven Einleitung zur Mefistofele-Arie, im packenden "Regina Coeli" oder den letzten Takten der Butterfly durchaus Gespür für einen dramatischen, fesselnden Szenenaufbau erkennen, und auch der Chor des Royal Opera House bewährt sich in der Edgar-Szene und in dem Cavalleria-Ausschnitt als potenter, gleichermaßen homogen wie dynamisch fein abgestuft musizierender Klangkörper.

In Folkmans so wunderbar blumig formulierten Wunsch kann ich nach mehrfachem Hören dieses Albums jedenfalls nicht einstimmen: "With Ms. Eaglen set for a long reign in her northern realm, we may be sure that the lure of the Mediterranean will prompt more goodwill visits in years to come."


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Cover

Jane Eaglen
Italian Opera Arias


Arien aus Madama Butterfly, Tosca, Turandot, La Wally, La Gioconda, Suor Angelica, Cavalleria rusticana, Adriana Lecouvreur, Edgar, Mefistofele

The Royal Opera Chorus, Covent Garden

Philharmonia Orchestra

Dirigent: Carlo Rizzi

Aufnahme: London, September 2000

Sony Classical SK 89443









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