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Oper & Musiktheater
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Il Trovatore
Drama in vier Teilenvon Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare
Musik von Giuseppe Verdi


Verdis Troubadour aus Mailand:
Angst vor dem Arena - Effekt ?

Von Christoph Wurzel


Über 30 CD - Gesamtaufnahmen verzeichnet der Bielefelder Katalog vom Troubadour. Welchen Grund sollte es also geben, eine neue Aufnahme zu produzieren, wenn doch unter den bisher zugänglichen solche sind wie die unter Karajan mit der Callas und di Stefano oder diejenige unter Renato Cellini mit Zdenka Milanov, Jussi Björling und nicht zuletzt Leonard Warren als Graf Luna? Will man unbedingt eine Stereo - Version, so bot sich bisher diejenige unter Carlo Maria Giulini an u.a. mit der großartigen Brigitte Fassbaender als Azucena. Nun also hat Sony Classical eine Aufnahme unter Riccardo Muti mit dem Ensemble der Eröffnungspremiere der Scala - Saison 2000/01 vorgelegt, die im Dezember 2000 aufgenommen worden ist. Muti beruft sich musikalisch auf die neue kritische Ausgabe der Universität von Chicago. Grund genug für diese Anreicherung des Repertoires?

Man erinnert sich, dass die Premiere einen kleinen Skandal hervorrief, da der Sänger des Manrico, Salvatore Licitra, nach seiner Stretta am Ende des 3. Akts kein hohes C schmetterte, Maestro Muti hatte es untersagt. Nichts war es mit der lange gepflegten Tradition. Muti wollte den Troubadour ernst genommen wissen, denn in der Partitur steht dieser Bravoureffekt nicht und Muti verwies auf die Situation Manricos. In seiner Lage - gerade hat er seiner Braut erklärt, dass vielleicht eine Hochzeit gar nicht zu Stande käme, da er bald im Krieg umkommen könne und tatsächlich sitzt er ja 5 Minuten später im Gefängnis und wartet auf seine Hinrichtung - in einer solchen Lage also sei es unglaubwürdig so aufzutrumpfen. Und der Sänger der Rolle des Manrico sang also den Spitzenton in der Scala - Premiere nicht. Wohl aber ein halbes Jahr später in der Arena von Verona. Dort sind solch plakative Effekte ja eher angebracht. "Nun ja," soll Licitra kommentiert haben, "ich bin ein ernsthafter Sänger, aber ich bin halt auch ein italienischer Tenor." Kein Widerspruch also zwischen seriösem Musizieren und emotionaler Spontaneität. Diese Mischung wäre das Ideal. Leider ist davon in der CD - Aufnahme dieser Mailänder Premiere nicht viel zu spüren.

Als ein Nachtstück der wehmütigen Träume und der düsteren Erinnerungen sieht Riccardo Muti die Oper. Ein durchaus überzeugender und tragfähiger Ansatz. Er muss aber auch eingelöst werden. Die Träume im Troubadour sind auch Alpträume voller Aggression und Rachegedanken (Azucena), von Liebeserfüllung und schmerzlichem Verlust (Leonora), Träume von überfordertem Heldentum (Manrico) oder von schnödem Besitzanspruch (Luna) - Träume also, die mit großen Emotionen und dramatischen Konflikten verbunden sind. All diese Affekte hat Verdi komponiert und sie sollten auf dem Theater sichtbar und in der Musik hörbar werden. Doch allzu verhalten bleibt dies in der Aufnahme der Scala - Premiere. Stellenweise zweifelt man sogar daran, dass es sich um eine Live - Aufnahme handelt, so gemäßigt glatt klingt die Musik.
Das Orchester musiziert ausgefeilt und sehr klangschön, fern aller möglichen vulgären Töne - eher Kammer als Arena. Doch zu wenig dramatischer Impuls und zu wenig theatralische Sendung werden spürbar. Den Trauermarsch im Miserere z.B. könnte man sich schauerlicher vorstellen und mehr Düsterkeit in den Begleitakkorden des Duetts Azucena - Manrico in der Kerkerszene des 4. Aktes wären denkbar. Einzig in den Finali entwickeln sich spannungsgeladene Steigerungen.

Einem Bonmot von Caruso zufolge ist der Troubadour ganz einfach zu besetzen, man benötige eben nur die vier besten Sänger der Welt. Etwas unterhalb dieser Schwelle wäre es auch schon getan. Und Riccardo Muti steht in dieser Produktion auch ein beachtliches Sängerensemble zur Verfügung, das allerdings trotzdem Wünsche offen lässt.
Verdi hatte die Figur der Zigeunerin Azucena ursprünglich als die zentrale angesehen und wollte die Oper auch nach ihr benennen. In dieser Aufnahme wird Violetta Urmana dieser Aufgabe voll und ganz gerecht. Ihre Stimme füllt mit einem großen Volumen und einem beeindruckenden Umfang alle Facetten dieser Rolle überzeugend aus. Sie ist eigentlich die einzige im Ensemble, die auch im Ausdruck gestalterische Kraft entfaltet.
Barbara Frittoli ist eine Leonora, die schon von Anfang an entrückt erscheint, so als lebte sie schon lange Jahre im Kloster. Mit reinem Timbre und himmlischer Höhe berückt ihre Stimme sängerisch, aber der Ausdruck bleibt recht blass. (Unfair ist natürlich der Vergleich mit der Callas, aber er drängt sich auf.)
Salvatore Licitra, der von Muti so geschätzte Tenor, gibt einen markanten Manrico, ist der Partie gesanglich durchaus gewachsen und muss seine Stimmgewalt nicht unbedingt durch Spitzentöne beglaubigen. Aber auch seine Rollengestaltung bleibt recht pauschal und er wirkt zu wenig beteiligt.
Leo Nucci, der den Grafen Luna singt, dürfte, wenigstens in dieser Aufnahme, stellenweise an seine Grenzen gekommen sein. In seiner Auftrittsarie zeigen sich zu Anfang schon Ermüdungserscheinungen, er findet nicht gleich die richtige Färbung der Stimme. Ansonsten Routine auf hohem Niveau, aber glühende Eifersucht...?
Giorgio Giuseppini macht aus der Rolle des Ferrando auch nicht das, was sie hergeben könnte. Tiziana Tramonti ist eine brave Ines.
Natürlich hat Caruso den Chor vergessen, der auch in dieser Produktion seine bedeutende Rolle für die Dramaturgie der Oper zu behaupten versucht. So sind die Chorszenen noch mit die packendsten in dieser Aufnahme.

Den Troubadour ernst zu nehmen ist die eine Sache, dies auch glaubhaft zu machen die andere. Die Mailänder Scala hat als Gralshüterin der Verdi - Tradition zwar eine gute Absicht formuliert und hohe Erwartungen geweckt, diese aber leider nicht vollständig eingelöst. So gehört diese Troubadour - Aufnahme nicht zu denen, die ich auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen würde.


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Cover

Giuseppe Verdi:
Il Trovatore


Leonora: Barbara Frittoli
Manrico: Salvatore Licitra
Azucena: Violeta Urmana
Luna: Leo Nucci
Ferrando: Giorgio Giuseppini
Ines: Tiziana Tramonti
Ruiz: Ernesto Gavazzi
Zigeuner: Ernesto Panariello
Bote: Francesco Biasi

Orchestra e Coro del
Teatro alla Scala, Milano

Dirigent: Riccardo Muti

Aufnahme: Teatro alla Scala, Milano
Dezember 2000
Sony S2K 89553 (2 CDs)



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