CD's Musiktheater |
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Wege aus der Romantik NAXOS hat seit Beginn der zunehmenden Verbreitung von Musik-CDs das ehrgeizige Ziel verfolgt, mit neueren Aufnahmen in DDD-Qualität überwiegend osteuropäischer Provenienz zu beweisen, dass gute Musik nicht teuer sein muss, galt doch stets DM 10 pro CD als Grenze, die bis heute nach fast 15 Jahren nicht überschritten wurde. Zufall oder kluge Programmpolitik? Obwohl das Opernprogramm des Labels noch recht schmal ist, finden sich dort neben Bewährtem von Verdi (eine Bericht dazu folgt in Kürze) eine Reihe von Opern, die auf sehr unterschiedliche Weise den Übergang von der Romantik zur Moderne markieren. Rezensenten des OMM haben sich drei Aufnahmen kritisch angehört: König Roger von Karol Szymanowski, Pelléas et Mélisande von Claude Debussy und Die tote Stadt von Erich Wolfgang Korngold. König Roger: Eine Oper, der man wünscht, sie möge auch den Weg auf unsere Bühnen findenVon Karol Szymanowski (1882-1937) sind zwar in den letzten Jahren vereinzelte Aufnahmen erschienen, doch entspricht deren Anzahl nicht ansatzweise der Bedeutung, die Szymanowski als Neubegründer einer polnischen Komponistengeneration zukommt. Dabei hat er sich lediglich zweimal an Opern herangewagt, die in der hiesigen Aufführungspraxis allesamt zu kurz kommen und selbst in der musikwissenschaftlichen Literatur zur Person Szymanowski wenig Beachtung finden. Das editorische Verdienst kann also kaum überschätzt werden. Mit seinem op.46 bewegt sich Szymanowski völlig auf der Höhe seiner Zeit und scheucht sein Großorchester durch die Klippen einer Tonalität, die sich selber nicht mehr recht vertraut. Titelgeber der Oper, die auch - nicht zu unrecht - als mystisches Oratorium bezeichnet worden ist, ist Roger II, König von Sizilien (1130-1154), der wie schon weiland König Pentheus in den Bacchantinnen des Euripides damit baden geht, dass er den Dionysos-Kult zu verbieten versucht. Dieser wird von dem geheimnisvollen fremden Hirten vertreten, der in biblischer Diktion von "seinem Gotte" schwärmt, was den entschiedenen Protest der Kirchenvertreter auslöst, zugleich aber seine Gattin Roxana bannartig fesselt. Roger steht zwischen den Lagern und scheitert letzlich am Versuch der Vermittlung des Unvermittelbaren. Die Aufanhme aus Katowice ist exzellent besetzt, wenn gleich die meisten Namen in unserer Gegend weniger bekannt sind - zu Unrecht, wie man durch diese Aufnahme erfährt. Andrzej Hiolski gibt den König mit deutlich bassigem Einschlag, und Edrisi, der arabische Weise und wichtigste Dialogpartner des Königs, erhält von Henryk Grychnik einen dringlich insistierenden Ton. Doch findet sich die Krönung der sanglichen Leistung auf Seiten der Königin Roksana (Barbara Zagórzanka) sowie dem Pasterz/Hirten (Wieslaw Ochman) einerseits sowie dem Chor andererseits, der wie das Orchester der polnischen Staatsphilharmonie in Katowice angehört. Leider bin ich außerstande, Textverständlichkeit und Akzenttreue zu bewerten. Das Booklet bietet in deutscher Sprache neben einer allgemeinen Einführung, die wörtliches aus anderen Szymanowski-CDs des Hauses NAXOS zitiert ist, eine etwas zu kurze Inhaltsangabe der Oper; und nur die englische Version enthält eine exakte Szenenabfolge, die genau den einzelnen CD-Tracks folgt. Das ist auch um so nötiger als das Begleitheft zwar das vollständige Libretto enthält, dieses allerdings nur in der polnischen Originalsprache ohne jede Übersetzung. Bei einem Werk, das auch in dicken Opernführern fehlt, stellt dies ein gewaltiges Manko dar, zumal anzunehmen ist, dass im Hauptverbreitungsgebiet des NAXOS-Marktes nur dem kleinsten Teil der KäuferInnen damit geholfen ist. Von Ralf Jochen EhresmannPelléas et Mélisande: Sehr französisch, wenn auch weniger für den FeinschmeckerIn der vorliegenden Aufnahme von „Pelléas et Mélisande" ist es dem Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais unter der Leitung von Jean-Claude Casadesus gelungen, das impressionistische Klanggewebe dieser einzigen vollendeten Oper von Debussy den Glanz und die Präzisität zu verleihen, die das Werk braucht. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Gesangspartien gut besetzt. Besonders die zerbrechliche Mélisande wird von Mireille Delunsch sehr gefühlvoll gesungen. In den Begegnungen zwischen Pelléas und Mélisande entwickelt sich auch stimmlich eine inbrünstige Leidenschaft, die auf den Hörer beeindruckend wirkt. Leider aber erweckt die Aufnahme den Eindruck, mit allerlei Kunstgriffen den Anforderungen Debussys hinsichtlich Textverständlichkeit genügen zu wollen, was manchmal zu einem Ungleichgewicht zwischen Sängern und Orchester führt. Ob dies auch mit den unterschiedlichen Aufnahmestandorten (für die Einspielung wurden gleich mehrere Live- und Studioaufnahmen gemischt) zusammenhängt? Dabei ist die Beschriftung "Deutscher Text" auf der CD-Hülle irreführend. Zwar sind Kommentare zu Entstehungsgeschichte und Handlung der Oper auf Deutsch vorhanden, um den Text auf sich wirken lassen zu können, muss der Zuhörer des Französischen mächtig sein.Fazit: Eine in positiver Hinsicht sehr französische Aufnahme, die für den (französisch verstehenden) Operneinsteiger sicherlich eine gute und preiswerte Alternative ist, für den kritischen Musikliebhaber jedoch weniger zu bieten hat. Von Koert BrachesDie Tote Stadt: Leuchtende Stimmen in düsteren OrchesterkaskadenDie tote Stadt, bereits kurz nach der Vollendung der Komposition im Jahr 1920 uraufgeführt, avancierte zu einer der meistgespielten Opern ihrer Zeit. Korngold orientiert sich einerseits mit großen melodischen Entwicklungen an Puccini und der tragischen Variante der Operette (und auch Richard Strauss ist nicht immer fern), kontrastiert dies aber mit düsteren Klangwolken, die auf das Ende des vertrauten Tonartensystems hindeuten. Das Nebeneinander dieser beiden Sphären macht auch heute noch den Reiz des Werkes aus. Leif Segerstam kostet in der vorliegenden Aufnahme die extremen Kontraste mit dem vorzüglichen Orchester der Königlichen Schwedischen Oper genussvoll aus. Mit Thomas Sunnegardh steht ihm ein jugendlicher Heldentenor zur Seite, der sich mühelos über alle Klanggewalten hinwegsetzt. Für die Rolle des "Helden" Paul, der in der Tänzerin Marietta seine tote Frau Marie wiederauferstanden glaubt und sich in einen Alptraum stürzt (an dessen Ende er - im Traum - Marietta umbringt), ist er eine Idealbesetzung. Und auch Katarina Dalayman ist ein Glücksgriff: Als Marietta bei allem erforderlichen Klangvolumen mit der nötigen Leichtigkeit, als Erscheinung der toten Marie mit düster verhangenem Stimmklang. Im Duett dürfen die beiden in operettenhafter Glücksseligkeit auf den Spitzentönen verharren - die flirrenden und unaufhaltsam stürzenden Skalen des Orchesters rücken schnell wieder zurecht, was allzu harmonisch zu werden droht. Auch die weiteren Rollen sind ordentlich besetzt. Lobenswert ist die gute Verständlichkeit, mit der das durchweg schwedische Ensemble den deutschen Text behandelt. Da es sich um einen Live-Mitschnitt von drei Aufführungen an der Stockholmer Oper handelt, ist die Aufnahme nicht völlig frei von (kleinen) Patzern, aber die Lebendigkeit und das plastische Klangbild machen das durchaus wett. So präsentiert sich Die tote Stadt äußerst lebendig - und hörenswert. Von Stefan Schmöe |
Chor und Orchester der Nationalphilharmonie Katovice Dirigent: Karol Strya
aufgenommen 1990
Choeur Régional Nord/Pas-de-Calais Einstud.: Eric Deltour Orchestre National de Lille-Nord/Pas-de-Calais Dirigent: Jean-Claude Casadeus
aufgenommen 1996
Kinderchor der Schule Tomtberga Chor und Orchester der Königlich Schwedischen Oper Stockholm Dirigent: Leif Segerstam
aufgenommen 1996 |
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