Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage CDs
Oper & Musiktheater
Zur Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



60e parallèle
Oper von Phillipe Manoury, Michel Deutsch und Pierre Strosser
Musik von Phillipe Manoury


Zurück in die Zukunft??

Von Ralf-Jochen Ehresmann


Der Firma Naxos darf man sicher zugestehen, dass es ihr wie keiner zweiten gelingt, bei konsequenter Beibehaltung der nice-price-Strategie auch mutige Veröffentlichungen jenseits des mainstreams zu wagen, während gleichzeitig manches etablierte Großlabel sich immer stärker auf gängige Namen und solche Werke beschränkt, die sattsam bekannt und eh' schon mehrfach zu haben sind. Da bleibt es nicht aus und besagt auch weiter nichts Negatives, wenn nicht jeder Schuss ein Volltreffer sein kann.

Das hier eingespielte Werk zu bewegt sich zwischen klassischer Orchesterverwendung inklusive zitatweisem Anklingen alter Formen wie Walzer bzw. Rock'n Roll o.ä. einerseits sowie der handlungstreibenden Einbindung diverser Geräusche andererseits. Die "Handlung" selbst ist ein postmodernes Gewirr gleichzeitig-unzusammenhängender Vorgänge. Ein namenloser Wüstenflugplatz am 60.Breitengrad bietet den Schauplatz für das Verhalten der notgelandeten Fluggäste und ihrem sinnlosem Treiben während der Zwangspause. Da entdeckt eine Dame ihre Liebe zu einer anderen; es fabuliert ein seniler Professor Wittkop, der besser Wirrkopf hieße, über die in seinem Gepäck befindlichen 200 Einzelteile von Einsteins Hirn - als einziger auf deutsch; ein selbsternannter Aufklärer fahndet nach einem Kriegsverbrecher, der seinerseits den Aufklärer sowie einen anderen Zuvielwisser ermordet, derweil der englischsprechende Lautsprecher allerhand kryptische Ansagen von sich gibt und am Ende immer noch unklar ist, ob die Maschine nun doch noch weiterfliegt... "Es sind Menschen versammelt, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Sie erleiden die Zeit eines zur Unzeit eingetretenen Ereignisses ... und kommunizieren dabei jene Art von Sätzen, an die man sich klammert, wenn man hilflos, ohne Orientierung ist." So jedenfalls sagen es Ph.Manoury und Michel Deutsch, neben Pierre Strosser einer der Librettisten.

An seltenen Stellen wird der Gesang kantabel im Sinne alter Oper, ansonsten ist der Sprechanteil recht hoch. Aus Geräuschen des Flugbetriebs, des Schneesturms u.ä. ergibt sich eine Melange, die die Vielfalt heutiger Lebenswelten glaubwürdig untermalt, dabei aber nichts revolutionär Neues liefert, was nicht auch schon vor 30 Jahren so oder ähnlich hätte vertont werden können. Der Komponist Phillipe Manoury (Jahrgang 1952), der als Pianist begann und nach einer Episode in Brasilien am Pariser IRCAM gelehrt und von 1983-87 als Musikpädagoge des ensemble intercontemporain gewirkt hat (seitdem lehrt er Komposition in Lyon), bezieht sich im abgedruckten Interview auf Wagner und Debussy als Väter der Technik dessen, was wir als ‚beredtes Schweigen' bezeichnen möchten, "wo das Orchester das zum Ausdruck bringt, was den handelnden Personen nicht zu sagen gelingt."

Das Begleitheft bietet daneben das Libretto übersetzungsfrei in den Originalsprachen, was neben dem Löwenanteil in französisch auch Teile in deutsch und englisch beinhaltet. Ausgewiesenen Sammlern neuester Produktionen sei der Titel für ihre Sammlung anempfohlen, Freunde der Avantgarde dürften die Ausgabe eher bereuen. Somit darf zuletzt wohl bezweifelt werden, ob das Lektorat bei Naxos mit der Benennung der Serie als ‚21st Century Classics' nicht etwas zu früh und obendrein viel zu weit ausgeholt hat.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
Cover

Phillipe Manoury:
60e parallèle


Rudy Link: Donald Maxwell
Wim Kosowitch: Jean-Phillippe Courtis
Anja -Larson: Hedwig Fassbender
Maria Bertini: Hedwig Fassbender
Dr Wittkop: Ian Thompson
Air Hostess Marie-Thérèse Keller
Woman: Menai Davies
Man with transistor: Jean-Marc Salzmann
Passenger Paul Gay
Voice from a loudspeaker: Julie Vulliez
Children's voices: Alexandre Caussé, Camille d'Ollone
Little girl: Magdalena Wiedenhofer

Orchestre de Paris
Ltg.: David Robertson

Aufnahme: 1997
NAXOS 8.554249-50 (2 CDs)



Da capo al Fine

Zur Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2002 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: cds@omm.de

- Fine -