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Ludwig van Beethoven
Fidelio
Anschaffungsgrund für den Kauf einer weiteren Aufnahme eines Standardwerks wie Fidelio ist meistens eine außergewöhnliche Besetzung. Julius Patzak ist früher (auch wenn das Sendedatum der NDR-Produktion fehlt) als Florestan zu haben, er war einer der wichtigsten Rollenvertreter in den fünfziger Jahre, schon damals nicht unumstritten, aber auch hier unbedingt berührend in seiner echte Tiefe erzielenden Textausdeutung und mit lyrisches Fundament aufweisendem Tenormaterial - schon nach wenigen Takten steht hier eine scharf konturierte, bewegende Figur vor dem inneren Auge -, und da überhört man auch die gequälten Schlussphrasen der Arie mehr oder minder. Heinz Rehfuss ist kein polternder, brüllender Heldenbariton, sondern eher ein vokales Leichtgewicht, was Geschmackssache ist, aber mit nuancenreichem Gesang und ausgesprochen klarer Diktion gelingt ihm ein vielschichtiges Portrait des Fieslings. Karl Kümmel hat nicht die schönste, prägnanteste Stimme als auch sonst etwas blasser Rocco, auch Helmut Kretschmars Jaquino und Erich Winks Minister spielen nicht in der allerersten Liga, sondern bleiben eher rollendeckend, aber solide. Nein, es ist die wunderbare, schlichte, berührende Leonore von Gladys Kuchta, einer der "Hausprimadonnen" von Mitridate/Ponto (kommt da noch mehr?), die über einen dunkel leuchtenden Sopran, dem man die Mezzovergangenheit deutlich anhört (wie bei vielen bedeutenden Leonoren, man denke an Martha Mödl und Christa Ludwig), eine wirklich dramatische, sehr weibliche Stimme, die zur Rolle passt, die sich vom feinen lyrischen Sopran Melitta Muszelys auch wirklich absetzt und die eben jenes besondere Pathos erzeugen kann, jene Leidenschaft, die diese Partie braucht - wegen ihr sollte man diese Aufnahme mit ihren angenehm kurzen Dialogen haben. Carl Bamberger heißt der musikalische Leiter, der die NDR-Kräfte bereits in der Ouvertüre sehr schwungvoll musizieren lässt und auch im weiteren Verlauf um "richtige" Tempi weiß.
Der Anhang bringt umfangreiche Ausschnitte von den Salzburger Festspielen 1957, Herbert von Karajan hat damals Christel Goltz als Leonore besetzt (und auch sie ist berührend, kommt aber vor allem intonationsmäßig in der Arie hörbar an Grenzen, ihr Sopran weist kein geringes Vibrato und andere Gebrauchsspuren auf, und im Kerker wundert man sich über Einsatzprobleme, aber das ist eben live), Sena Jurinac ist eine vollmundige Marzelline (sie wechselte später auch zur Heroine), Giuseppe Zampieri kein uninteressanter, "exotischer" Gefangener mit der dunkleren, klangvolleren, baritonaleren Stimme und einem "italienischen" Legato, aber eben auch einem ziemlichen Textbrei am Ende der Arie, dazu die Herren Schöffler, Edelmann und Kmentt, alle Könner und unvergessen in ihren Rollen. Die Hamburger Aufnahme berührt einen trotz aller Abstriche dann doch direkter - die Dialoge sind auch nicht so pathetisch gesprochen, was auch klar ist, denn Studiomikrophone verlangen anderes als das Große Festspielhaus in Salzburg - und gerät naturgemäß intimer. Auf der anderen Seite dirigiert den Live-Mitschnitt Karajan, was auch nicht zu verachten ist ... Ein Hoch auf die Erfindung der Bonus-Tracks!
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Ludwig van Beethoven Fidelio
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- Fine -