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Das Pierrot Lunaire Ensemble Wien widmet sich auf 2 CD der zeitgenössischen Kammermusik:

Melancholische Schleier und andere avancierte Klänge




Schon bei den auf der Portrait-CD des jungen Komponisten Walter Körte enthaltenen Titeln wie Klaviertrio, Streichquartett oder Sonate ist ein deutlicher Bezug zur Musik vergangener Zeiten zu bemerken. Fast durchgängig wird auf allerlei Floskelhaftes verzichtet, was in sogenannter "Neuer Musik" doch zu gern als "funktionierendes Mittel" benutzt wird. Körte scheint Rückschau halten zu wollen: der Klangwelt eines Alban Berg, ja selbst der Kontrapunktik eines Alexander Zemlinsky mag er verbunden sein. Es bleiben dies aber nur wage Assoziationen, denn es gelingt Körte, einen sehr eigenen, subtilen Charakter zu entwickeln; Schubladen entgeht Körte durch eine eigenständige Sprache. Diese Sprache führt, auch bei lauten, stark rhythmisch betonten Phasen, stets einen melancholischen, nebelartigen Schleier mit sich, der so recht kein Licht zulassen will.

Solches wird insbesondere im verhaltenen Klaviertrio deutlich: Der Schleier lichtet sich zu keiner Zeit, die Musik zeigt nur sehr wenig Ausbrüche und vermag den Hörer zu tragen, ohne dass dieser genau weiß, wohin es noch gehen wird. Stark von freitonalen Melodien geprägt, erklingt die Sonate für Flöte und Klavier. Die Melancholie ist hier noch sehr viel mehr ausgeprägt. Körte lässt der Flöte den eindeutigen Vortritt und das Klavier zumeist als Begleitinstrument fungieren, dieses hält sich auch sehr klangschön zurück. Weniger zurückhaltend war der Pianist allerdings mit der (vielleicht auch vorgeschriebenen) Pedalisierung. Da die Musik ohnehin stark von Klangschleiern umgeben ist, hätte es dem zusätzlichen Pedalschleier nicht so dringend bedurft. Äußerste Präzision zeigen beide Interpreten aber im schnellen dritten Satz.

Einen avancierteren Klang wagt Körte in seinem Quartett für Violine, Viola, Violoncello und Sopran: Unwirklich und surrealistisch, mit einigen Instrumentaleffekten versehen, kommt das Stück daher und hinterlässt insbesondere im Blick auf die Interpreten großen Eindruck. Die Streicher haben einen sehr intensiven Klang, das besonders in den gläsern-zerbrechlichen Phasen der melodramatischen (übrigens auch an Schönbergs Pierrot Lunaire erinnernden) Partitur.
Wieder mehr auf Kontrapunkt und Meodie ausgelegt ist Körtes Streichqurtett, ebenso wie der Liederzyklus für Tenor und Klavier, der auch voksliedhafte Elemente verarbeitet.
Insgesamt eine durchaus hörenswerte CD; die Sprache Körtes hinterlässt einen einheitlichen, eigenen Gestus, der nur an wenigen Stellen sich mehr trauen dürfte, den melancholischen Schleier gegen Frische und Frechheit auszutauschen.

States of mind ist eine weitere CD des Pierrot Lunaire Ensembles. Eingespielt wurden acht Werke von acht Komponisten. Damit es nicht bei einer (belang-)losen Folge verschiedener Stücke bliebe, gab man dem Produkt den Namen "states of mind", welches die Unterschiedlichkeit der Musiken zu unterstreichen versucht.
Dieses Idee funktioniert – dem Hören der CD haftet der Eindruck des einheitlich Uneinheitlichen an: Das Ensemble hat in wenigen Stücken die Möglichkeit, eine große Ausdruckspalette zu zeigen. Die spritzige "Dream Music" von Alexander Mühlenbach (*1949) beweist viel Phantasie und eine sehr lebendige Klangvorstellung. Günter Kahowez´s (*1940) Musik erinnert an nicht wenigen Stellen an die Musik von Walter Körte, auch die "Drei Fantasiestücke" haben einen sehr melancholischen Charakter, nicht zu verleugnen ist auch die klangliche Nähe zur Wiener Schule.

Dirk d´Ases (*1960) kurzes Stück "Music for mallets an flute" ist für die spannende Besetzung Flöte und Vibraphon gesetzt. D´Ase versteht diese an eine verzerrte Spieluhr erinnernde Musik in kurzer Zeit sehr differenziert zu beleuchten. Ironisch geht Guido Mancusi (*1961) mit der Tradition um: In seinem Streichquintett "Xenia" werden Fetzen der Vergangenheit neu zusammen gestellt, so folgt auf eine langsam anlaufende Polka ein durch eine hohe Violine verschmutztes Adagio. Der Zusammenhang wird in knapp fünf Minuten nicht so recht deutlich und der Hörer bleibt etwas ratlos zurück. Wobei ja auch dieses seinen Reiz hat...

"Für S.G. und G.B." lautet der Titel der zwei kurzen Stücke für Flöte und Klavier, von Ruth Mc Guire (*1941). Die Kürzel sind offensichtlich die Namen der Interpreten. Mag die Namensgebung vielleicht angeregt worden sein durch Edward Elgars "Enigma Variationen", so sind auch die kurzen Stücke "rätselhaft", ein Anreihung von Tönen sind hier eher wahrzunehmen, als ein rundes Stück.
Sehr viel eigenständiger erklingt die Musik von Andrew Mangold (*1971). Von ihm sind vier kürzere Werke eingespielt worden. Seine Sprache legt sich nicht fest, es schwankt irgendwo zwischen Neuer Musik, Jazz, Chanson... Dadurch fällt Mangold´s Musik zwar aus dem Rahmen, gehört aber zum Interessantesten, was diese CD zu bieten hat. Den aufregendsten Klang, der an Streichquartette von Alvin Lucier erinnert, hat Christoph Herndler (*1964) zu bieten. Die Musik ist ständig in der Schwebe, kein Tonzentrum kann ausgemacht werden, eine beinahe "verrauchte" Atmosphäre schafft Herndler in seinem "Das Ganze, das Zwischen" und trifft mit dem Titel den Charakter der Musik vollkommen.

Die Werke auf den vorliegenden CDs, sind durchweg glänzend gespielt. Das Pierrot Ensemble vermag insbesondere in vorsichtigen Passagen durch eine große Klangdifferenzieung zu glänzen. Die CD´s sind sehr schön gestaltet – allerdings würde man sich über ein ausführlicheres Booklet freuen, da man über Komponisten und Werke gar nichts erfährt – und das wäre nach dem Hören durchaus wünschenswert.



Von Gordon Kampe



Cover

Walter Körte:

Klaviertrio Nr. 1

Sonate
für Flöte und Klavier

Quartett
für Violine, Viola, Violoncello und Sopran

Liederzyklus nach A. Machado
für Tenor und Klavier

Lied der Sinne
für Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Mezzosopran



Pierrot Lunaire Ensemble Wien

Extraplatte EX 472-2




Cover

States of minds
Alexander Müllenbach:
Dream Music für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier

Dirk d'Ase:
Music for malets and flute für Flöte und Vibraphon

Guido Mancusi:
Xenia (Streichquintett)

Ruth Mc Guire:
Für S.G. und B.G. für Flöte und Klavier

Walter Körte:
Lied der Sinne für Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Mezzosopran

Andrew Mangold:
Instrumental 1&2 für Flöte, Violine I und II, Viola, Violoncello, Kontrabass, Congas und Klavier

Die Welt geht im Springen für Mezzosopran und Klavier

Versunken für Mezzosopran, Saxophon und Klavier

Mitya's dream für Sopran, Congas, E-Bass, Tenorsaxophon, Flöte, Violine I und II und Violoncello

Christoph Herndler:
Das Ganze, das Zwischen für Flöte, Klarinette, Violine, Viola und Violoncello


Pierrot Lunaire Ensemble Wien

Extraplatte EX 442-2
Musikverlag Alexander Mayer


Da capo al Fine

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