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Musik mit Goldstaub


Zweifellos stellt György Ligeti eine der herausragendsten Komponisten der europäischen Avantgarde dar. Sein Erfolgsstück „Atmosphères“ aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, erwirkte einen radikalen Bruch mit der damals vorherrschenden seriellen Musik eines Boulez oder Stockhausen. Ligeti spürte dem Klang selbst nach und nivellierte Parameter wie Intervall oder Rhythmus zugunsten der Farbe und Dichte eines Ereignisses. Doch dies allein, reicht bei weitem nicht aus, um zu einem bedeutenden Komponisten zu werden: Ligeti verweigert sich dem Schubladendenken und betrachtet die Entwicklung in andere Richtungen als notwendig, ein Beweis hierfür ist die vorliegende Aufnahme der Firma Teldec, die sich mit weiteren CDs um den Meister bemühen will.

Eine Ligeti-Reihe eben nicht mit den Erfolgsgarantien „Atmosphères“ oder „Lontano“ zu beginnen, ist mutig und zeigt den Willen, auch unbekanntere, bzw. neuere Werke des Komponisten hervorzuheben.
Alles ist im Fluss, scheint der Grundgedanke des Kammerorchesterwerkes „Melodien“ zu sein: Das Werk ist in ständiger, ruhiger Bewegung und verzahnt sich dabei labyrinthisch in ein undurchhörbares polyphones Geflecht. Einzelne Melodien treten nur für kurze Augenblicke in Erscheinung. Doch im Vordergrund steht unbedingt die Farbigkeit des Stückes und dieser Farbigkeit nimmt sich auch Reinbert de Leeuw und das Schönberg Ensemble vor. Genau wie Ligeti es fordert: mit Goldstaub wird hier gespielt. Die Instrumentalisten, alle vielmehr als Solisten denn als Orchestermusiker herausgestellt, brillieren nicht nur durch unglaubliche Virtuosität, sondern durch, im wahren Wortsinne: glänzende Farbigkeit der Tongebung. Auch die Aufnahme ist absolut perfekt, das vielleicht das einzige Manko: für manche Geschmäcker zu „klinisch.“

Gewagter in der Tongebung wird das verrückte Kammer-Konzert interpretiert: Hier wirkt gerade das Blech „rotziger“ und zu dem überaus feinen Klangsinn in den „Melodien“ kommt nun noch hörbare Spielfreude zum Tragen. Und diese ist berechtigt, Ligeti komponiert aberwitzig schwierige Partien (z.B. Kammerkonzert: Presto), aber dies nicht zum Selbstzweck, sondern, das spürt man selbst beim Hören einer Konserve, zur Freude der Musiker. Ligeti beweist gerade in seinem Kammer-Konzert von 1970, dass Neue Musik auch mit ernsthafter Heiterkeit betrieben werden kann, mit Esprit und Effekten, ohne Effekthascherei.

Das Ergebnis einer stilistischen Umwälzung des Komponisten zeigt am deutlichsten sein Klavierkonzert aus den Jahren 1985-88. Die unerbittliche Rhythmik und Stringenz des Stückes lässt es zu einem akrobatischen Konzert kontrollierter „Tollheit“ werden. Pierre-Laurent Aimard kann nicht genug gelobt werden, da es schon eine Meisterleistung ist, das Stück überhaupt technisch zu bewältigen. Doch Aimard – und das wunderbare Asko-Ensemble an seiner Seite – bewältigt die Partie und setzt dem Werk durch seinen funkelnden Ton die Krone auf.
Die „Mysteries of the Macabre“, ein Konglomerat aus drei Arien der Oper „Le Grand Macabre“, geht leider, auch im CD-Booklet, etwas unter und ist reine Zugabe. Es ist amüsant zu hören und von Elgar Howarth phantasievoll instrumentiert, doch nach dem Klavierkonzert kann nicht mehr „viel“ kommen.

Von Gordon Kampe



Cover

György Ligeti:

Melodien

Kammerkonzert

Klavierkonzert

Mysteries of the Macabre
(Instrumentation: E. Howarth)


Pierre-Laurent Aimard, Klavier
Peter Masseurs, Trompete
Schönberg Ensemble
Asko Ensemble
Ltg.: Reinbert de Leeuw


Teldec New Line LC 6019


Da capo al Fine

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