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Martinu Quartett
Labyrinth


Ein gelungener innerer Dialog

Von Michael Magercord

Wenn moderne Komponisten und Musiker als Quelle ihres Schaffens aus einem tiefen religiösen Glauben schöpfen, muss sich der Zuhörer auf eine musikalische Abbildung eines inneren Dialogs einstellen. Zu Zeiten eines Johann Sebastian Bachs etwa stand die Religion nicht zur Debatte, in seinen Werken ging es darum, den Glauben in ein sinnliches Erlebnis zu wenden. In modernen Zeiten, in denen die Menschen nicht mehr selbstverständlich in einer Religion verankert sind, geht es den Tonsetzern oft darum, ihren Glauben gegenüber sich selbst zu versichern, ja vielleicht auch zu begründen.

Die kammermusikalischen Werke des böhmischen Organisten und Komponisten Petr Eben (1929-2007) spiegeln diese Gefühlslage wider: direkt und dynamisch – das wären die neutralen Attribute, um die Musik zu beschreiben; tiefschürfend und suchend müsste man sagen, wenn man die Motivation seines Schaffens mitdenkt.

Wer Petr Eben noch kennenlernen durfte, traf einen freundlichen Menschen, der einen fast schon heiteren Eindruck hinterließ. Wer seine Biografie kennt, weiß, dass das nicht selbstverständlich war. Der Vater war jüdischer Herkunft, der Sohn verbrachte kaum 16-jährig die letzten Kriegswochen im KZ Buchenwald. Das tiefe Erlebnis der Fragilität des Lebens schlug sich in der Hinwendung zum christlichen Glauben nieder. Hört man nun seine Kompositionen für Streicher und Klavier, spürt man immer das nach Gewissheit Suchende darin – so wie ein Gläubiger in der Moderne zwar an die Existenz des Absoluten glauben möchte, ohne tatsächlich behaupten zu können, es wirklich gefunden zu haben.

ieser Zwiespalt prägt auch die drei Werke für Streicher und Klavier von Petr Eben. Ihre Entstehung liegt rund zehn Jahre auseinander. In diesem Zeitraum kam es in seinem Heimatland zu großen gesellschaftlichen Umwälzungen, die sich ebenfalls in den Sonaten hören lassen.

Das Titelstück dieser CD ist 1981 entstanden. Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens ist, ganz wie sein Name besagt, ein verwirrendes Werk. Das Streichquartett wird von zwei nervösen Ecksätzen eingerahmt, die beiden Mittelsätze bieten kurze Atempausen. Spiegeln Anfang und Ende das Suchende wider, steht der Mittelteil für das Findende – als kurze Phase. Oder wie Eben es selber ausdrückt, es geht um eine Haltung gegenüber dieser Welt gegenüber: „Kritischen Abstand wahren, doch alle Kräfte darauf verwenden, die Welt besser zu machen und zu retten.“

Das folgende Trio für Klavier, Geige und Cello aus dem Jahr 1986 stellt eigentlich zwei Stücke in einem dar. Geige und Cello stehen im Kontrast zum Piano: „Es ist nicht so sehr ein Trio, sondern eher ein Zyklus für ein Streicherduo und ein Klavier“, so der Komponist. Tasteninstrument und Streicher bilden einen Gegensatz, so werden im zweiten Satz Geige und Cello zu einem Instrument zusammengefasst, sie spulen ihre Melodiereihe hintereinander ab und sind vom Hörer kaum zu trennen, während das Klavier ihnen markante Akkordfolgen entgegen setzt. Im dritten Satz spielt das Klavier einen Trauermarsch, die Streicher einen Walzer. Im Abschlusssatz aber begegnen sie sich wieder, fast bis zur Einheit.

1992 vollendete Petr Eben sein Klavierquintett, das nun zwar immer noch Streicher und Klavier entgegenstellt, aber nicht mehr den Versuch unternimmt, beides zwanghaft zu verbinden, sondern in einem offenen Kontrast belässt. Mag dieser Ansatz auch den veränderten äußeren Umständen geschuldet sein? Mit dem Ende des sozialistischen Totalitarismus wurde aus dem ewigen Uni-Assistenten, der wegen seiner offen gelebten Spiritualität und Religiosität nie befördert wurde, ein geachteter Hochschullehrer und später ein mit Preisen und Aufträgen bedachter Komponist. Doch trotz der neuen Freiheit ist ein tiefer religiöser Glaube in einer modernen Welt keine Selbstverständlichkeit, der man sich nicht immer wieder selbst vergewissern müsste.

Die drei gut 20-minütigen Kammerwerke führen den Hörer in die innere Welt des Gläubigen, sofern er sich führen lässt. Das Hören ist kein leichter Genuss, aber ein Gewinn. Denn wer sich dieser oft auch anstrengenden CD aussetzt und die Werke als Spiegelbild moderner Religiosität versteht, kann sich mit dem Hören das Lesen vieler spekulativer Texte zum selben Thema ersparen – Praxis statt Religionstheorie –, zumal die Musiksprache zwar modern ist, aber niemals berechnend, sondern immer ehrlich und direkt – wie ein gelungener innerer Dialog.

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Cover

Martinu Quartett:
Labyrinth

Kammermusik von Petr Eben

Martinu Quartett:
Lubomír Havlák, 1. Violine
Libor Kanka, 2. Violine
Zbynek Padourek, Viola
Jitka Vlašánková, Violoncello

Karel Košárek, Klavier


Petr Eben:

Das Labyrinth der Welt
und das Paradies des Herzens

(Streichquartett)

Klaviertrio

Klavierquintett

Gesamtspielzeit: 68:32


Supraphon
SU 4232-2



Weitere Informationen
www.supraphon.com



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