Von Christoph Wurzel
Unter den
zahlreichen jungen Streichquartetten, die momentan den internationalen
Klassikmark bereichern, reiht sich das Dudok Quartet aus Amsterdam mit
Fug und Recht in die erste Reihe ein. Das haben seine bisherigen
CD-Einspielungen bewiesen und das beweist erneut die jüngste
Veröffentlichung von Vol.2 der Quartette
op. 20 von Joseph
Haydn, auf dieser Scheibe den Nummern 1, 4 und 6. Mit seiner 1772
komponierten Ausgabe von sechs Streichquartetten hat der vierzigjährige
Haydn dieser von ihm quasi erfundenen Kammermusikgattung neue
Dimensionen eröffnet und den spielerischen Charakter seiner ersten
Kompositionen für die Quartettbesetzung weit hinter sich gelassen. In
Opus 20, seiner 4. Serie von Streichquartetten, hat der Musikus
des Fürsten Esterhazy längst die Schwelle von den gefälligen
Divertimenti und Tafelmusiken zum Zweck der Zerstreuung bei Hofe hin zu
dem kunstvoll durchgearbeiteten "Gespräch unter vier vernünftigen
Leuten" entwickelt, als die Goethe das Streichquartett später
beschrieb. Die sechs Quartette
op. 20 waren auch die
ersten, für die Haydn vom Fürsten die Erlaubnis zur Veröffentlichung
erhielt. Als Titelvignette schmückte die Amsterdamer Druckausgabe 1779
eine Abbildung der Sonne, seitdem tragen sie den Beinamen
"Sonnenquartette".
Im
differenzierten musikalischen Dialog liegt auch die Stärke des Dudok
Quartetts und es zeigt mit seiner klaren und exzellent disponierten
Durchdringung der Musik deren kontrapunktischen Reichtum mustergültig
auf. Exzellent aufeinander eingespielt flechten sie die einzelnen
Stimmen zu einem wohlproportionierten Ganzen, beispielhaft im
Variationssatz des D-Dur-Quartetts
(Nr. 4), wo Haydn die Leitstimme durch alle vier Instrumente
führt. Auch im Finale dieses Werks, einem temperamentvollen "Presto e
scherzando" mit seinem wie auch schon im 3. Satz "alla zingarese"
unüberhörbar ungarischen Einschlag, zeigt das Quartett mit einem
Höchstmaß an Präzision sein perfektes Zusammenspiel.
Dabei bleibt
das Spiel nie nur rein technisch brillant. Gerade auch der warme Ton
der vier Meisterinstrumente und das beseelte Spiel besonders cantabler
Stellen, macht den besonderen Charme des Dudok Quartetts aus. Hier ist
wieder beispielhaft das arienhafte Adagio aus dem A-Dur Quartett (Nr. 6) zu nennen,
in dem vor allem die Primaria ihre Geige wirklich singen lässt, in
vorgeschriebener mezza voce einfühlsam die Linie ausformt und
wirkungsvoll die Koloraturen in die Höhe schwingt.
Nie spielen
sich die Künstler in den Vordergrund. Dem klassischen Ebenmaß der
Haydnschen Musik lassen sie stets den Vortritt, allerdings nicht auch
ohne ihren stellenweise aufblitzenden Humor und sogar ihre
Experimentierfreude zu verstecken. Davon geben sie etwa im Finale des Es-Dur-Quartetts (Nr.1) beredt
Zeugnis, vor allem aber auch im letzten Satz der Nr. 6, einer Fuge, die
Haydn hier alles andere als akademisch durchführt. Mit leichter Hand,
spielerisch und mit munterer Gelassenheit präsentieren die Vier die
Musik, genauso wie sie der Komponist hier gemeint haben könnte, nämlich
als augenzwinkernden Beleg seiner Könnerschaft, die ihm einmal ein
Zeitgenosse in einer Rezension früherer Werke schulmeisterlich
abgesprochen hatte.
Auf seiner
Homepage zitiert das Ensemble seinen Namensgeber, den holländischen
Architekten Willem Marinus Dudok (1884 - 1974), der als den
gemeinsamen Kern seiner Kunst und der Musik darin sah, die richtigen
Proportionen zu finden. Dieses Ziel erfüllen die vier Instrumentalisten
wirklich im schönsten Sinn.
Weil nicht
allein die Edition der Haydn-Quartette vom vom Dukok Quartet,
mittlerweile auch Träger zahlreicher Auszeichnungen, hörenswert ist,
sondern auch seine zuvor veröffentlichten CDs, sei hier auch auf diese
hingewiesen. Sie versammeln auf höchst interessante Weise jeweils unter
einem verbindenden Gedanken Musiken ganz unterschiedlicher Epochen und
Komponisten. Zwei davon enthalten Streichquartette von György Ligeti,
denen auf der CD "Métamophoses" das C-Dur-Quartett op. 57/2 von Haydn
gegenübergestellt ist und Bearbeitungen von Klavierstücken von Brahms.
Die CD "Labyrinth" enthält neben Ligetis 2. Streichquartett von Mozart
das Quartett Nr. 14 KV 387 und 4 Kanons von Bach. Auf der CD "Solitude"
hat das Dudok Quartet dem f-Moll-Quartett von Mendelssohn, seinem
Requiem auf die plötzlich verstorbene Schwester Fanny, das 3.
Streichquartett von Mieczysław Weinberg gegenübergestellt, in dem der
polnische Komponist seine im Holocaust ermordete Familie betrauert.
Zwei kurze Renaissance-Madrigale sowie eine Elegie von Schostakowitsch
komplettieren eindrucksvoll dieses berührend schöne CD-Programm.
Wärmste Empfehlung!