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Ralph Vaughan Williams:
Geistliche Chormusik




Polyphone Spurensuche im Dienste der Gemeinde

Von Stefan Schmöe

Darf ein Komponist unbefangen gleich mehrere Jahrhunderte überspringen? Englischen Komponisten muss man immerhin zugestehen, dass zwischen Barock und Spätromantik eine im Vergleich zur kontinentaleuropäischen Musiktradition derart riesige Lücke klafft, die ein Anknüpfen an die Vokalpolyphonie als Besinnung auf die nationale Tradition einigermaßen verständlich macht. Dennoch ist die 1921 komponierte Messe in g-Moll für Chor a capella von Ralph Vaughan Williams, Hauptwerk einer bei NAXOS erschienenen CD mit geistlicher Musik des englischen Komponisten, in der Unbefangenheit, mit der hier hemmungslos das polyphone Erbe geplündert wird, irritierend. Die Modernität des Werkes, wenn man denn überhaupt von einem „modernen“ Werk sprechen möchte, besteht im Wesentlichen darin, dass die Musik der vorreformatorischen Epoche ein wenig „aufgepeppt“ wird - allerdings nicht durch eine romantische Eintrübung, sondern durch eine Verschärfung der Harmonik und eine Pointierung der musikalischen Linien, die den archaischen Charakter der Musik betonen, aber durch Steigerungen und effektiv platzierte Kontrastwirkungen einen stärker emotionalen Zugang ermöglichen als die strenge Objektivität der alten Meister.

Verständlicher wird diese wohlklingende, rätselhafte Komposition durch die Einbettung in eine Reihe von Motetten, die durchweg ähnlichen Charakter haben, aber Vaughan Williams als Komponisten von kirchlicher „Gebrauchsmusik“ im besten Sinne portraitieren: Hier wird eine Musik vorgeführt, die ihren Platz im Gottesdienst - und nicht im Konzertsaal - beansprucht. Das zeigt sich in der Verwendung von Chorälen, etwa in der dreiteiligen Motette Lord, Thou hast been our refuge für Chor, Semi-Chor, Trompete und Orgel aus dem Jahr 1921, bei der ein Kirchenlied zunächst über dem Psalmodieren des Semi-Chores liegt, später dann als cantus firmus in der Trompete den Chorsatz überstrahlt. Durchweg sind die Kompositionen in ihrer Struktur (und Harmonik) relativ schlicht. Ihren klanglichen Reiz beziehen sie meist aus dem Wechsel zwischen Chor und Solisten, zwischen Chor und Semi-Chor, oder zwischen Männer- und Frauenstimmen. In der lateinischen Motette O vos omnes aus den Klageliedern Jeremias etwa werden alle drei vertonten Verse nur von den Frauenstimmen gesungen; die Männerstimmen treten überraschend bei den abschließenden Jerusalem-Rufen dazu - mit sehr einfachen Mitteln wird hier große Wirkung erzielt.

Die Kompositionen erschließen weniger neue als vielmehr alte Musikwelten. Man muss die großen englischen Kathedralen quasi mithören, um diese Musik richtig aufzunehmen. Die kanadischen Elora Festival Singers unter der Leitung von Noel Edison interpretieren die Werke mit der erforderlichen Schlichtheit und wohltuend zurückhaltend, dabei mit leuchtendem, bis auf wenige Stellen sehr homogenen Chorklang und mit unaufdringlicher, überlegter Phrasierung. Zu diesem Konzept passt es, dass die Solisten, die sich konsequent dem Gesamtklang unterordnen, namentlich nicht genannt werden.


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Cover



Ralph Vaughan Williams (1872 - 1958)

Messe in g-Moll

Motetten:
Lord, Thou hast been our refuge
Prayer to the father of heaven
O vos omnes
O clap your hands
O taste and see
O how amiable
Come down, o Love divine


The Elora Festival Singers
Thomas Fitches, Orgel
Ltg.: Noel Edison

Aufnahme: 8.-11.2.2000, Church of St. Mary Magdalene, Toronto, und St. Mary's Church, Elora/Ontario, Canada
NAXOS 8.554826





Da capo al Fine

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