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Wolfgang Amadeus Mozart: Sämtliche Quintette OhrenöffnerVon Martin RohrMit der jüngst bei der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm erschienenen Einspielung von Mozarts Klarinettenquintett und Hornquintett hat ein spannendes Projekt seinen Abschluss gefunden, das im Jahr 2001 eigentlich unter dem Titel "Complete String Quintets" begonnen hat. Die besonderen Ambitionen dieser Reihe haben ihren Ausdruck nicht zuletzt in der Verleihung des Echo Klassik Award 2003 in der Kategorie "Beste Kammermusikeinspielung" ihren Niederschlag gefunden. Die Reihe dokumentiert die kompositorische Entwicklung Mozarts über eine Zeitspanne von 18 Jahren auf dem Gebiet einer vergleichsweise vernachlässigten Kammermusikbesetzung, dem Streichquintett, das gegenüber dem klassischen Quartett um eine weitere Bratsche erweitert ist. Dabei zeigt gerade die vorliegende Einspielung die besondere Stärke dieser Besetzung, nicht zuletzt im Vergleich mit der ungleich prominenteren Gattung des Streichquartetts: Die größere Dichte vor allem in den Mittelstimmen erlaubt einen stärkeren Kontrast zwischen orchestralem Tutti und kammermusikalischer Transparenz. So werden eindeutige Register- bzw. Farbkontraste zu einem zentralen Element der Komposition. Wesentlich häufiger als im Streichquartett befreit sich auch die Bratsche aus der oft eingeengten Rolle als Träger von harmonischen Füllstimmen. Die besondere Charakteristik dieses Instruments trägt wesentlich zur besonderen Ausprägung dieser Besetzung bei.
Ein prägnantes und beeindruckendes Beispiel für die besondere Dichte und Konzentration dieser Besetzung ist das Quintett g-Moll KV 516, dessen erster Satz gleich mit diesem charakteristischen Farbkontrast zwischen solistischer Geige und solistischer Bratsche eröffnet wird. Die größere satztechnische Dichte provoziert scheinbar solche Kontrastierungen ebenso wie eine stark kontrapunktische Ausprägung des Satzgeschehens.
Die Streicher des Ensemble Villa Musica beweisen in ihrer Einspielung der sechs Streichquintette eine besonders intensive Auseinandersetzung mit dieser Ausdrucks- und Formvielfalt. In atemberaubender Farbigkeit und Lebendigkeit durchdringen sie den Notentext und lassen ihn durch feinste Agogik und Dynamik zu für den Hörer lebendig werden. Maßgeblich wird die Atmosphäre bestimmt von einer großen und weichen Klanggebung, in der Akzente nie hart und kantig, sondern immer weich und elegant sind. Dem dokumentatorischen Anspruch der Reihe entspricht es, dass auch Ungereimtheiten nicht verschwiegen, sondern bewusst thematisiert werden. So erscheint das Quintett B-Dur KV 174, das früheste der eingespielten Werke, in zwei Fassungen, die eindrucksvoll mit der Legende aufräumen, seinem Komponisten sei die Musik gleichsam fertig und perfekt eingegeben worden bzw. aus der Feder geflossen. Im Vergleich der je zwei Menuette und Finali lässt sich sehr genau studieren, dass die frühe Fassung den Ansprüchen Mozarts nicht genügte und eine Überarbeitung erforderlich machte.
Diesem dokumentatorischen Anspruch ist auch die Einspielung des Adagio und Rondo für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello c-Moll KV 617 zu schulden, die wohl eher unter der Rubrik Kuriositäten zu verbuchen ist. Die Einspielung mag vielleicht einen Eindruck von der außergewöhnlichen Sensation vermitteln, die dieses exotische Instrument beim Komponisten hervorgerufen haben muss. Der gläserne Klang begründet einen ätherischen Ausdruck, der in der von Konstanze Mozart in Auftrag gegebenen Fassung mit Klavier sicher verloren ginge.
Auch das Quintett Es-Dur für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott KV 452 kann den mit der Einspielung der Streichquintette formulierten Qualitätsanspruch leider nicht bestätigen. Das Werk strahlt mit seiner orchestralen Klangfülle und geschmeidigen Melodik eine gelassene Heiterkeit und Wärme aus, die auf forcierte Virtuosität ganz verzichten kann. Um so markanter erscheint die Rolle des Klaviers, das mal als klarer Gegencharaker aus dem strahlenden Es-Dur des Beginns hervortritt, und mal sich als sensible Klangstütze gänzlich in das Ensemble einfügt.
Die solistischen Qualitäten der Bläser kommen am deutlichsten am Oboenquartett, dem Klarinettenquintett und dem Hornquintett ablesen. Das früheste der drei genannten Werke ist das Oboenquartett F-Dur KV 370. Zwischen den leichten und vital-verspielten Ecksätzen erscheint der wehmütige Mittelsatz wie eine traumhafte Episode. Vor allem im abschließenden Rondo Allegretto zeigt Mozart eine besondere Freude an verspielter Virtuosität.
Mit mehr als der doppelten Längen und der um einen vierten Satz erweiterten Formanlage erscheint das Klarinettenquintett A-Dur KV 581 nicht nur wesentlich gewichtiger. Auch im Verhältnis zwischen Klarinette und Streichern ist ein Wandel gegenüber dem Oboenquartett eingetreten. Der Dialog und Austausch ist stärker betont. Zwar ist die Klarinette klanglich hervorgehoben. Aber die Streicher bekommen gerade in imitatorischen, polyphonen Passagen melodische, tragende Funktion. Nicht zuletzt ist dies am Menuetto abzulesen, dessen erstes Trio ein reiner Streichersatz ist. Den Abschluss der Reihe "Complete Quintets" bildet die Einspielung Hornquintetts Es-Dur KV 407. Der Hornisten Radovan Vlatkovic begeistert durch große Sensibilität und Geschmeidigkeit. Zu keinem Zeitpunkt besteht die Gefahr, dass der feine Streichersatz mit einer Geige, zwei Bratschen und einem Cello an die Wand gespielt wird. Auch hier gilt, was mit Ausnahme des Quintetts KV 452 die herausragende Stärke des Ensembles Villa Musica ist: Herausragende Musikerpersönlichkeiten verschmelzen zu einem lebendigen Organismus. So wird die Reihe "Complete Quintets" der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm zu einem echten Ohrenöffner, der ein facettenreiches Bild von der Kammermusik Mozarts zeichnet. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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