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Franz Schubert / Gustav Mahler
Der Tod und das Mädchen


Neu zu hörende Zwischentöne


Von Stefan Schmöe

Die Symphonien Franz Schuberts kranken daran (die „Unvollendete“ vielleicht ausgenommen), dass die Verarbeitung liedhafter und volkstümlich anmutender Elemente innerhalb der repräsentativen Architektur einer Symphonie schnell unfreiwillig einen naiven Beiklang erhält und die Musik „verharmlost“. In kleinen, intimen Formen wie dem Kunstlied tritt das Abgründige in Harmonik und Melodik ungleich drastischer hervor. Das Streichquartett d-Moll D 810 Der Tod und das Mädchen kann man in diesem Zusammenhang als Zwischenstufe ansehen, mit der sich Schubert unter Verwendung von Liedmaterial an die symphonische Großform herantastet. Die unwirsche, fast ruppige Geste, mit der der Eingangssatz beginnt, und die dramatische Steigerung des Variationssatzes legen in ihrem orchestral anmutenden Gestus eine Bearbeitung für ein größeres Ensemble nahe.

Gustav Mahlers Fassung für Streichorchester steht innerhalb einer Tradition, Werke der Kammermusik (die ursprünglich für einen kleinen Zuhörerkreis in entsprechend dimensionierten „Kammern“ komponiert waren) durch eine Vergrößerung der Besetzung „öffentlichkeitstauglich“, d.h. in riesigen Sälen spielbar zu machen, wo ein Streichquartett nach Mahlers Auffassung seine Wirkung verlor. Angesichts der Verfügbarkeit exzellenter CD-Einspielungen und dem Vorhandensein von Konzertsälen mit einer Akustik, die auch den Klang eines Streichquartettes problemlos tragen, klingt dieses Argument überholt; tatsächlich aber verschiebt die Orchesterfassung die Akzente, unter denen man das Werk wahrnimmt. Die Reduktion auf vier Soloinstrumente lenkt die Konzentration nicht nur auf die musikalische Linie (weshalb das Streichquartett lange als „Königsdisziplin“ des Komponierens galt), sondern schafft auch einen imaginären Klangraum, der in einer Bearbeitung – im weitesten Sinne vergleichbar mit der Verfilmung von Literatur, was bestimmte Bilder festschreibt – unnötig festgelegt wird. Auf der anderen Seite fügt Mahler durch seine Bearbeitung Ausdrucksmittel hinzu, die im Original nicht vorhanden sind und Schuberts musikalische Gedanken plastischer hervortreten lassen.

Der durch die Vervielfachung der Stimmen unschärfere Klang der Orchesterfassung besitzt nicht die bohrende Intensität und insistierende Strenge, die man in bei einer Streichquartett-Besetzung hören kann. So klingt die vorliegende Aufnahme mit dem Kiev Chamber Orchestra unter der Leitung von Roman Kofman an manchen Stellen wie mit dem Weichzeichner abgerundet, wobei eben auch manche Kanten abgeschliffen werden. Mahlers größter Eingriff ist das Einfügen einer Kontrabass-Stimme, die der Komposition mehr von den tiefen Tönen fundierten Raumklang verleiht, sondern auch die Möglichkeit gibt, den Klang stärker aufzufächern und mit Abstufungen die kompositorische Struktur (die nicht angetastet wird) deutlich zu machen. Diese „neu“ zu hörenden Zwischentöne hebt Kofman hervor (dem im Übrigen nichts daran gelegen ist, das Werk mit einem dämonischen Espressivo zu überziehen). Auch wenn man den Tod und das Mädchen in der Originalfassung im Ohr hat, klingen manche Passagen der Orchesterfassung so, als könnten sie gar nicht anders komponiert sein.

Ergänzt wird das Quartett durch das Adagietto aus Mahlers 5. Symphonie, das für Streichorchester und Harfe gesetzt ist. Von der ähnlichen Besetzung (bei der die Harfe allerdings einen klanglich entscheidenden Unterschied ausmacht) abgesehen wirkt die Verbindung der beiden Kompositionen bemüht, es sei denn, man sucht das Gegensätzliche darin. Mahlers verschwimmende Melodie ist weit entfernt von Schuberts fast manisch Rhythmus-dominierter Struktur entfernt, und so erleidet das Adagietto sein spätestens seit Viscontis Verfilmung von Tod in Venedig unvermeidbares Schicksal als Salon- und Zugabestückchen, das hier im zwar Detail konturiert gespielt wird, aber insgesamt zu sehr auf der Stelle tritt.

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Franz Schubert
Streichquartett d-Moll D 810
"Der Tod und das Mädchen"
Fassung für Streichorchester von Gustav Mahler

Gustav Mahler
Adagietto aus der Symphonie Nr. 5

Kiev Chamber Orchestra
Ltg.: Roman Kofman

MDG601 1315-2




Weitere Informationen
www.mdg.de






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