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Ensemble Ars Cameralis
Mittelalterliche Kammermusik

Gotische Weihnacht

Von Michael Magercord

„Authentisch“ steht auf dem Plattencover zu dieser Zusammenstellung von meist kurzen Liedern aus dem Hochmittelalter zum Weihnachtsfest aus Böhmen. Doch in wie weit kann mittelalterliche Musik heutzutage überhaupt noch authentisch sein? Ihre schriftlichen Überlieferungen sind nur spärlich, die Notationen bruchstückhaft, und die meisten damals verwendeten Instrumente sind nur noch auf Holzschnitten und Gravuren zu finden.

Im Gegensatz zu der alten Musik etwa der indischen oder chinesischen Klassik, kann sich die europäische Musik des Mittelalters keiner durch die Jahrhunderte fortlaufender Aufführungspraxis erfreuen. Einzig geblieben sind die philosophischen Betrachtungen über Musik: Platons Schriften, die im Mittelalter richtungsweisend waren, und die Aufzeichnungen aus Klöstern und Universitäten der Hochscholastik geben Hinweise auf die Musiklehre. Sie galt als geometrische Wissenschaft und mündete in der Theorie der komplizierten Polyphonie, die in ihrer Metrik den Ansprüchen an die Perfektion der göttlichen Schöpfung zu entsprechen hatten. Somit bedarf es vor der Aufführung der Musik jener Zeit, die wiederum dem Anspruch auf Authenzität genügen will und über die üblichen Klänge der wieder in Mode gekommenen Gaukler- und Mittelalterfestivals hinaus gehen möchte, eines intensiven Quellenstudiums.

Diesem hat sich der künstlerische Leiter des tschechischen Ensembles „Ars Cameralis“, der Flötist und Komponist Lukáš Matoušek, verschreiben. Im Booklet der CD hat er darüber Rechenschaft abgelegt und eingeräumt, dass viele Fragen mehr nicht zu klären sind und trotz allem aufrichtigen Bemühen um Authenzität Freiraum für die musikalische Gestaltung bleibt. Der heutigen Hörbarkeit kommt dieser Umstand sehr zustatten, steht es doch offen, ob damals der Gesang so rund und satt ausgeübt wurde, wie er uns auf der CD so schön entgegenschalt. Die zurückhaltende und dadurch sehr pointierte Instrumentierung mag schon eher jenem mittelalterlichem Geist zu entsprechen, nach dem nicht das subjektive Gefühl die Musik bestimmt, sondern sie der reinen Idee verpflichtet sein muss. Allerdings weichen die heutigen Musiker dann doch auch mal von diesem Grundsatz ab und das Folkloristische – dem sich böhmische Musiker und Komponisten nun mal verpflichtet fühlen - gewinnt die Oberhand, und dann geht es auf der CD dann doch ein wenig zu beschwingt und gauklerhaft zu.

Abgesehen von diesen letztlich nur seltenen Ausbrüchen ist diese „Gotische Weihnacht“ - wie schon die beiden Vorgänger CDs des Ensembles mit europäischer und böhmischer Musik, die im 14. und 15. Jahrhundert an der Prager Karlsuniversität gepflegt wurde - eine rundum in sich geschlossene Interpretation von Musik, die unabhängig von dem Versuch, möglichst zeitgerecht sein zu wollen, doch als eigenständiges und zeitgenössisches Werk gelten darf, und in diesem Sinne eben doch „authentisch“ ist. Der übliche Kanon der Weihnachtsmusik wird mit dieser CD jedenfalls um etwas ganz Eigenes bereichert.

Auf der CD finden sich nicht nur Lieder zur Lobpreisung der Geburt Christi, denn dieses Ereignis war seinerzeit nur eines unter vielen Kirchenfesten, von denen Ostern und die Auferstehung das wichtigste waren. Die weihnachtlichen Liederzyklen setzen bereits mit Liedern zur Verkündung ein und enden mit dem damals wesentlich wichtigeren Fest der Drei Heiligen Könige.  

Einmal mehr macht das umfangreiches Booklet die CD der „Ars Cameralis“ aus dem Studio Matouš noch wertvoller, ebenso die Möglichkeit, die Liedtexte im Internet nachlesen zu können.

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Cover

Gotische Weihnacht in Böhmen

1. Tempus Annuntiationis
2. Tempus Adventus
3. Tempus Nativitatis
4. Cantiones Bohemicae Christum Natum celebrantes
5. Tempus Novi anni
6. Tempus Epiphaniae Domini

Spieldauer: 73:44

Ars Cameralis
musikalische Leitung: Lukáš Matoušek

MK 0058-2 131

 Cover

Musik aus der Karlsuniversität

Doppel-CD mit europäischer und böhmischer Musik aus dem Mittelalter

MK 0011-2 131


Weitere Informationen zu beiden CDs:
www.matous.cz






Da capo al Fine

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