Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage CDs
Klassik
Zur OMM-Homepage Rock-Pop-Startseite E-Mail Impressum



Giacinto Scelsi:

Werke für Streicher



Magier: Unverzichtbar!

Von Gordon Kampe

Eine der seltsamsten Erscheinungen der jüngeren Musikgeschichte ist zweifellos Giacinto Scelsi. Nach einem Kompositiosstudium war er psychisch schwer erkrankt und konnte sich, nach eigener Aussage, nur dadurch heilen, indem er immer und immer wieder ein und denselben Ton auf dem Klavier anschlug. Mag das auch nur eine schöne Geschichte sein, so steckt eben dieses permanente Insistieren auf einen Ton, auf einen Klang, in allen Werken Scelsis. Scelsi verstand sich selbst als ein Medium, das durch Improvisationen auf einem eigens dafür hergestellten Instrument die nicht selten esoterischen Klänge bis ins Innerste erforschte. Ein Assistent notierte die Improvisationen, was lange Zeit für Zündstoff sorgte, da Scelsis Methoden nicht dem üblichen Schema eines Komponisten entsprachen.

Das österreichische Label KAIROS präsentiert hier Werke für Streicher, interpretiert vom traumhaften Klangforum Wien. Alle Interpreten, von der kleinen Duo Besetzung (Annette Bik und Andreas Lindenbaum) bis zur großen Besetzung mit 11 Streichern, vermögen es einerseits in die Klangwelt des Giacinto Scelsi einzutauchen und sich dabei tief in die magische Umgebung fallen zu lassen, und andererseits, sich nicht dem Klangrausch zu ergeben. Dort interpretieren überaus eigenständige Musiker, die stets eine kühle Kontrolle über das Gespielte beweisen. Bei aller Vermischung der Klangfarben wird auf eine deutliche Linienführung Wert gelegt, sodass der Hörer den Schaffensprozess nachvollziehen kann. Durch die klare Formulierung verliert die Aufnahme etwas von dem esoterisch-mystischen Anstrich, so kann man sich aber auf das Wesentliche der Aufnahme konzentrieren: nämlich hoch expressive, unendlich fein ausgehörte und großartige Musik.

Insbesondere im vierten Streichquartett überzeugen die Musiker: Die Musik ist ständig in Bewegung, schon nach kürzester Zeit ist man regelrecht im Inneren der Musik, und das Ohr wird schon durch feinste Nuancen und kleinste Farbschattierungen aus der Bahn geworfen. Die Musik hat in dieser hoch nervösen Interpretation eine körperliche Wirkung auf den Hörer, die bei Musik-Konserven dieser Art nur enorm selten zu finden ist. Diese Musik beunruhigt durch ihre Feinheit und durch ihren archaischen Ausdruck: Sie verstört den Hörer und lädt ihn gleichzeitig ein, ins Innere der Klänge vorzudringen.

Leider erscheint, trotz der stets sehr ansprechenden Aufmachung, das Booklet inhaltlich sehr dürftig. Offensichtlich richtet es sich ausschließlich an Fachleute, da ein einführender Text zu Scelsi und seiner Musik fehlt. Einige kryptische Bemerkungen des Komponisten werden unkommentiert eingegliedert; stringenter wäre es dann, komplett auf einen Text zu verzichten und die Musik und die vorzügliche Aufnahme allein auf den dadurch zwar verwirrten, aber unbefangereren Hörer wirken zu lassen

Trotz dieses kleinen Mankos ist diese CD aber unbedingt zu empfehlen. Sie beweist nicht nur ein weiteres Mal die Ausnahmestellung eines der besten Ensembles für Neue Musik Europas, sondern zeigt ebenso eine der, im besten Wortsinne, „merk-würdigtsen“ Musiken der letzten Jahrzehnte.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
Cover



Giacinto Scelsi:

Werke für Streicher

Streichquartett des Klangforum Wien
Klangforum Wien
Ltg.: Hans Zender

Kairos 0012162KAI





Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Rock-Pop-Startseite E-Mail Impressum
© 2001 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: cds@omm.de

- Fine -