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Michael Gees:
ImproviSatie


Musik im Hier und Jetzt

Von Susanne Westerholt

Vorab sei gesagt: dies ist keine alltägliche CD. Michael Gees, einst als "Westfälischer Mozart" mit dem Attribut des Wunderkindes ausgestattet, hat sich längst aus diesem Fahrwasser herausbegeben und seinen eigenen Weg eingeschlagen. Sein neuestes Album ist der Musik von Eric Satie gewidmet, dem eigenwilligen Komponisten, Grenzgänger zwischen Musik und Schriftstellerei, der eine wichtige Figur der künstlerischen Avantgarde in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellte.

Wer denkt, etwa Saties berühmte 1ère Gymnopédie zu kennen, wird hier eine Überraschung erleben: Michael Gees lässt nämlich die Tradition der extemporierten Musik wiederaufleben. Seine Interpretation geht über den Notentext hinaus: mittels Improvisationen, eingebaut in die Stücke oder, wie etwa in der 1ère Gymnopédie als längere Einleitung, entführt uns Gees in die musikalische Welt von Satie. Musik im Hier und Jetzt, im Augenblick entstehend: darum geht es Michael Gees. Aufgehoben wird bei Gees die klare Trennung zwischen Künstler und Publikum; Gees, indem er sich im Augenblick der Improvisation von der Stimmung im Publikum inspirieren lässt, beteiligt das Publikum am schöpferischen Akt. Künstler wie Publikum haben am Entstehungsprozess der Musik Anteil.

Zwölf Stücke, zusammengestellt aus verschiedenen Werken von Satie, etwa den berühmten Gymnopédies oder den Gnossiennes, erklingen in gemischter Reihenfolge. Mittels ausdifferenzierter Artikulation und subtilem Anschlag trifft Gees den musikalischen Charakter der verschiedenen Kompositionen ausgezeichnet und verzaubert mit seinen improvisierenden Teilen. Meist spielt Gees in rascherem Tempo als bei vielen anderen Interpreten üblich. Dadurch ist die innere Kohärenz der Musik auch bei längeren improvisierenden Abschnitten gewährleistet. Die extemporierten Abschnitte führen die musikalischen Gedanken auf faszinierende und lebendige Weise fort. Die eigene Komposition Nachtigall (nach Hans-Christian Andersen), die das Album beschliesst, zeigt eindrücklich die Vielfalt an Gedanken in Gees' Musik und die Fülle an Möglichkeiten deren musikalischer Verarbeitung.

Diese Musik besteht nicht aus Effekthascherei. Obwohl eigentlich ein Widerspruch zwischen Gees' Absicht einer im Jetzt entstehenden einmaligen Musik und einer auf CD gebannten Interpretation besteht, gelingt es ihm, eine Präsenz und Tiefe zu vermitteln, die beim Hören beinahe vergessen lassen, dass man nicht in einem Konzert sitzt. Mit seinem Bestreben, das Publikum konstitutiv in den schöpferischen Prozess mit einzubeziehen, steht Michael Gees dem Schaffen von John Cage, insbesondere dessen Werk 4'33'' nahe, bei dem Cage die Geräusche des Publikums und der aktuellen Umgebung als zum Stück zugehörig betrachtete. Sowohl bei Cage als auch bei Gees gibt es kein Publikum im eigentlichen Sinne mehr: die Zuhörer sind am schöpferischen Akt beteiligt. Das Ende der Rezeptionsästhetik kommt bei Gees auf den ersten Blick unspektakulär daher, wie es bei tiefgreifenden Veränderungen oft der Fall ist. Auch wer sich für diese Hintergründe nicht erwärmen kann: dieses Album ist ein Hochgenuss. Präsenz verbindet sich mit Tiefgang und improvisatorischem Esprit: Musik vom Feinsten.

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Michael Gees:
ImproviSatie


Michael Gees, Klavier

Werke:
Improvisationen über Klavierstücke von Erik Satie
Crepuscule matinal
Gnossiennen Nr. 1, 4, 5
Danses de travers
Severe reprimande
Seul a la maison
Sur une lanterne
Gymnopedie Nr. 1
Danse cuirassee

Michael Gees: Die Nachtigall


Gesamtspielzeit: 75:10


Hybrid-SACD challenge 3081874
(vertrieben über jpc)

Weitere Informationen
www.jpc.de





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