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Astor Piazzolla:
Tango nuevo. eine sinfonische Hommage.


Sinfonische Hommage an Astor Piazzolla

Von Johannes Vesper

Im vergangenen Jahr wurde sein hundertster Geburtstag überall gefeiert. Aus diesem Anlass haben sich viele seiner Musik angenommen, deren Grundlage bekanntlich der südamerikanische Tango ist, wie er sich seit ca. 1915, gespielt von den Orchestra tipica, in den Hafenbars, Kaschemmen und Bordellen von Buenos Aires, entwickelt hatte. Diese Orchestra tipica umfassten alles andere als ein großes mitteleuropäisches Sinfonieorchester. Klavier, Gitarre, Violinen eventuell noch Kontrabass und Bandoneon reichten mussten reichen. Mit acht Jahren bekam der kleine Arturo vom tangobegeisterten Vater ein Bandoneon geschenkt. Das charakteristische Instrument des Tangos war von Heinrich Band um 1850 in Krefeld erfunden und von auswandernden Arbeiterfamilien des frühindustriellen Deutschlands nach Südamerika mitgenommen worden.

Erst im Alter von 15 Jahren entdeckte Astor die Faszination von Tango und Bandoneon für sich, mochte aber später als Komponist zunächst damit nicht in Verbindung gebracht werden. Er eiferte der modernen Musik seiner Zeit (Bartok, Strawinsky, Ravel) nach und schrieb 1953 eine Sinfonietta für Kammerorchester, womit er ein Stipendium für Paris gewann. Dort lernte er Nadja Boulanger kennen, die ihn motivierte, sich auf seine Wurzeln zu stürzen. Also kombinierte er den südamerikanischen Tango mit Jazz, klassischer wie neuer Musik, mit Pop, unterdrückte seine eigenen Emotionen nicht und schuf den Tango nuevo, konzertante Tangomusik für verschiedenste Besetzungen. Mehr als 300 Tangos sowie ca. 50 Filmmusiken komponierte Piazzolla in seinem Leben. Anlässlich seines 100. Geburtstages produzierte die Neue Philharmonie Westfalen, eines der größten Sinfonieorchester in NRW und Opernorchester des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen, unter seinem Generalmusikdirektor Rasmus Baumann ihre Jubiläums-CD im großen Konzertsaal. Dafür kam Bandoneon-Solist Lothar Hensel gerne nach Recklinghausen. Er hat die südamerikanische Musik vor Ort studiert, oft bearbeitet und spielte sie schon mit zahlreichen Orchestern bis hin zu den Berliner Philharmonikern.

Auf der CD wird die musikalische Entwicklung Piazzollas insofern nachvollzogen, als seine Sinfonietta von 1953 den Anfang macht. Glutvolle tiefe Streicher über harten Ostinato-Rhythmen, sinfonische Pauken und Holzbläser lassen noch die Nähe zu Ravel oder Strawinsky spüren. Langsam, ernst und melodiös fließt der Mittelsatz voran, unterbrochen von unbestimmt schwankenden Tonrepetitionen, bevor das Ganze mit letztem Jubiloso munter zu Ende geht.

1959 hatte Piazzolla Adios Nonino für seinen verstorbenen Vater komponiert: Nach großem elegischem Solo des Bandoneons schmilzt die traurige Cello-Kantilene über edlem Kontrabass-Pizzikato, einem Herzklopfen, welches auch später immer wieder zu hören ist. Zum Bandoneon spielen milde Tutti-Violinen zu Ehren des Vaters einen ruhigen Tango.

Nach aus der Tiefe aufsteigendem Kontrabass-Solo breiten sich die Variationen über Buenos Aires ("Tangazo") aus. Melancholisch oder tänzerisch weicht hier, zwischen Bigband und Sinfonieorchester, ursprünglich argentinische Tango-Volksmusik einer konzertanten südamerikanischen Musik, die auch vor kontrapunktischen und barocken Elementen nicht zurückschreckt. Das gleiche gilt für die Vier Jahreszeiten von Buenos Aires für Bandoneon und Streichorchester. Zwar kein Orchestra tipica in Buenos Aires, vermittelt die Neue Philharmonie aus Recklinghausen mit dieser Aufnahme aber auch in Westfalen Genuss des Tango nuevo.

Zuletzt bietet in Oblivion mit leisem Paukenglissando und zärtliches Oboen-Solo über konstant durchlaufendem, leicht rhythmisiertem Bass das großes Film-Orchester Raum für weitere herrliche Soli und dem Zuhörer reinen Genuss. Musik- wie Tangofreunde werden an dieser makellosen Aufnahme sinfonischer Aspekte eines kleinen Querschnitts durch das Werk des produktiven Arturo Piazzolla haben, der übrigens auch auf den großen Bühnen Europas selbst aufgetreten ist und für Pina Bausch eine Ballettmusik geschrieben hat.

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Cover

Astor Piazzola
Tango nuevo. eine sinfonische Hommage.


Lothar Hensel, Bandoneon

Neue Philharmonie Westfalen

Dirigent: Rasmus Baumann

Sinfonietta 1953 (für Kammerorchester)

1. Dramatico
2. Sombrio
3. Jubiloso

Adiós Nonino

Tangazo (Variations about Buenos Aires)

Cuatro Estaciones porteñas
(Vier Tango-Jahreszeiten)
1. Primavera portaña
2. Verano portaño
3. Otoño portaño
4. Invierno portaño

Oblivion

Gesamtspielzeit: 65:16


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