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Radio.string.quartet. vienna
Posting Joe. Celebrating Weather Report – live



“You got to want it badly…”

Von Susanne Westerholt

Er war einer der ganz Großen: Im Jahr 2007 mit 75 unerwartet verstorben, gilt Joe Zawinul über seinen Tod hinaus als DER europäische Jazzer von Weltrang schlechthin. Dabei erinnerte der sympathische Österreicher mit seinem Käppi und seinem verschmitzten Lächeln eher an einen Wiener Gartenlaubenbesitzer als an einen Weltstar.

Von seinem gemütlichen Äußeren darf man sich aber nicht täuschen lassen: Während andere europäische Jazzer sich von US-Amerikanern inspirieren lassen, war es bei Zawinul gerade umgekehrt; er gilt er einer der einflussreichsten Jazzer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits Ende der 1950er Jahre siedelte er in die USA über. Zawinul war sehr stolz auf seine Herkunft: als Sohn eines aus Südmähren stammenden Wiener Arbeiters und einer ungarischen Sintiza liebte er das Multikulturelle und war im amerikanischen Jazz sofort zuhause. Es war die Zeit als das Fender Rhodes und das Wurlitzer E-Piano die Bühnen eroberten. Als ausgebildeter Pianist war Zawinul total „angefressen“ von den technischen Möglichkeiten und der Klangwelt dieser neu entwickelten elektromechanischen Tasteninstrumente und begann mit elektronischen Klang-Patterns und -texturen zu experimentieren. Seine angestrebte Klangvorstellung war es, mehrere verschiedene Klangarten gleichzeitig zu spielen.

Zawinul legte eine phantastische Karriere hin: Gemeinsam mit Miles Davis war er maßgeblich an der Entwicklung des Fusion-Stils beteiligt. Mit Wayne Shorter zusammen gründete er die Jazz-Band Weather Report, in der eine zeitlang auch Jaco Pastorius mitspielte. In den 1990ern gründete Zawinul die Band The Zawinul Syndicate, die worldmusic, Jazz und afrikanische Einflüsse miteinander vermischte und einen ganz eigenen Stil hervorbrachte. Mindestens so erfolgreich wie als Keyboarder und Bandleader war Zawinul als Komponist. Vielleicht am bekanntesten sein Mercy, mercy, mercy, das er für das Cannonball Adderley Quintet komponiert hat, in dem er von 1961 bis 1970 mitspielte. Zawinul war ein begnadeter Komponist. Er hatte für Miles Davis In a Silent Way komponiert sowie das gut zwangigminütige kompositorisch hochkomplexe Pharaos' Dance auf Miles Davis' Album Bitches Brew von 1970 – unbestritten eines der wichtigsten und besten Alben des Jazz überhaupt, gerade auch wegen Zawinuls Komposition. Zawinul wusste, wie man in einem Stück mittels Harmonik, Instrumentierung und Dynamik Spannungen über mehrere Minuten hinweg aufbaut, sie kaskadenartig steigert, um sie dann nicht mit einem Paukenschlag, sondern unauffällig und simpel wie beiläufig aufzulösen. Er probierte auch neue Formen aus, zum Beispiel kaleidoskopartige Formen, bei denen Melodien kommen und gehen, teilweise ohne wiederaufgenommen zu werden. Zawinuls Stücke sind ein Beweis dafür, dass Komplexität der kompositorischen Struktur und Unterhaltung keinen Widerspruch darstellen, sondern bestens zusammengehen.

Nun hat sich das radio.string.quartet.vienna an die Musik von Zawinul herangewagt – ohne Strom wohlgemerkt. Die vier Musiker sind spezialisiert auf Rock, Pop, Crossover, Jazz und Weltmusik. Auf ihrer aktuellen CD spielen sie eigentlich keine Cover-Versionen, sondern ihre ganz eigene Interpretation von Stücken von Zawinul. Müssen sie auch, denn so ganz ohne Strom muss die elektronische Klangwelt von Zawinul tatsächlich neu erfunden werden. Und das gelingt überraschend gut: Etwa die Komposition Cannonball – die Elektro-Freaks mögen es mir verzeihen – klingt ehrlich gesagt besser als im Original: die Stimmen und dadurch auch die Rhythmik sind sehr transparent und differenziert, und der Spannungsaufbau im Thema ist einen Tick raffinierter umgesetzt als im Original. Eine super Interpretation!

Allerdings eignet sich aber offenbar nicht jede Komposition gleich gut für Streichinstrumente: Black Market etwa zeigt die Grenzen recht deutlich auf. Zawinuls wummernde Elektro-Sounds sind hier mit akustischen Instrumenten schwer umzusetzen, so sehr sich die Streicher auch Mühe geben. Allerdings könnte man einwenden, dass mit akustischen Instrumenten eben was Anderes, was Neues entsteht. Klar, aber dennoch: der bunte Blumenstrauß an Klangfarben im Original von Zawinuls Black Market ist eben doch einmalig.

Zawinul selbst war stets auf der Suche nach neuen Klängen und war offen für Neues. Warum es also nicht mit Streichern versuchen? Ihm hätte dieses Experiment bestimmt gefallen. Er sagte einmal in einem Interview für das US-Fernsehen, dass man sehr hart arbeiten und eine entsprechende Einstellung mitbringen muss, um im Musikbusiness Erfolg zu haben: ‚You got to want it badly'. Das merkt man dem radio.string. quartet. vienna an; sie wollen wirklich und geben alles und noch ein bisschen mehr. Tolle Musik, tolles Klangerlebnis, absolut empfehlenswert.


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Radio.string.quartet. vienna
Posting Joe. Celebrating 'Weather Report' – live


radio.string.quartet.vienna:
Bernie Mallinger, Violine
Igmar Jenner, Violine
Cynthia Liao, Viola
Asja Valcic, Violoncello

Track List:

Troposphere (Bernie Mallinger) 1:39
Birdland 6:33
Freezing Fire (Wayne Shorter) 4:05
Peace 6:16
Black Market 6:35
Dream Clock 6:14
Wireless Wings – For Joe (Asja Valcic) 6:55
In A Silent Way 3:54
Cannonball 5:51
Volcano For Hire 6:31

Gesamtspielzeit: 54:37

Alle Titel wenn nichts anderes vermerkt von Joe Zawinul


Produziert von: radio.string. quartet. vienna
Label:ACT Music + Vision GmbH + Co.KG


Weitere Informationen unter:
www.radiostringquartet.com
www.joe-zawinul.com
www.zawinulonline.org




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