Ernst Stankovski
Keine Spur von Literatur
Höllisch gut - eine Spurensuche
Von
Frank Becker
Ernst Stankovski ist der unbestrittene Grandseigneur der deutschsprachigen Kleinkunstbühnen und
des Cabarets, Schauspieler und Kabarettist von Rang, Chansonnier,
Pianist, Autor, Fernsehmoderator und Regisseur - schlicht: ein Kenner
und Könner der Bühne und des literarischen Kabaretts/Brettl auf allen
Ebenen. Seine Nachdichtung von "Das große Testament des François
Villon", mit der er bis 2003 erfolgreich solo tourte und deren
opulente, lange vergriffene Buchausgabe Objekt des Sammlerbegehrens ist (der Live-Mitschnitt des Programms ist noch als CD zu haben),
setzte neue Maßstäbe in der bis dahin von Paul Zech dominierten
Villon-Rezeption. Die Neuübersetzungen diverser Moliere-Stücke haben
seinem der Bühne gewidmeten literarischen Schaffen eine weitere
funkelnde Facette gegeben.
In der
Fernsehgeschichte hat der elegante Charmeur, der noch immer mit der
gleichen nonchalanten Geste die Haarsträhne zurückstreicht, mit "Heute
Abend Ernst Stankovski", "Spaß mit Ernst" und "Erkennen sie die
Melodie?" seine Spuren hinterlassen. Die Schallplatten- und
CD-Aufnahmen des 1928 in Wien (wo sonst?) geborenen Ernst Stankovski
haben ein Stück Wiener Cabaret bewahrt, das einmal an Rang dem Berliner
nicht nachstand. Im Wiener "Theater in der Josefstadt" hatte der
Reinhardt-Seminarist und nachmalige Burgschauspieler 1946 debütiert -
pünktlich zum 60-jährigen aktiven Bühnenjubiläum, das er am 10. und 19.
November 2006 mit dem Programm "Geh´ zu den Gauklern" im Wiener
"stadtTheater" in der Walfischgasse feierte, ist sein neues Album
erschienen: "Keine Spur von Literatur".
Texte von Fritz Grünbaum, Ralph Benatzky, Fritz Rotter, Hermann
Leopoldi, Fritz Löhner-Beda und nicht zuletzt eigene Conférencen und
Moderationen zu seinem Jubiläumsprogramm hat Ernst Stankovski auf
diesem Album versammelt, kommentiert und musikalisch begleitet. Ein
amüsanter Ausflug ins besagte Wiener Cabaret der 20er Jahre ist es, mit
ein wenig Wehmut, doch mit noch viel mehr Vergnügen.
Ernst Stankovski entführt bei diesem Ausflug in die "Hölle", das
legendäre Wiener Brettl, das sein Domizil im Kellergeschoß des
"Theaters an der Wien" hatte. Dort traten alle großen österreichischen
Kabarettisten und Kleinkünstler auf. Bonbons wunderbaren Schmähs sind
dabei u.a. Fritz Grünbaums Satiren "Der Gast" und "Die Hölle im
Himmel". Opus 31 von Robert Stolz, Hauskomponist der "Hölle" ist ein
rares kleines Schmankerl: die "Ballade". Dank dieser "Ausgrabung"
wissen wir jetzt auch, wo Heinz Erhardt seine Ballade vom Sauwetter
anlehnt. Stankovski
schwelgt in großen Namen - und wir mit: Rudolf Österreicher, Adele
Sandrock, Josma Selig, Egon Friedell, Alfred Polgar, Karl Farkas, Hugo
Wiener, Karl Kraus, Hans Moser... Und das berühmte Wiener Kaffeehaus
kann natürlich nicht fehlen. Es hat seinen gebührenden Platz, denn "ins
Kaffeehaus gehen Leute, die allein sein wollen, und dabei Gesellschaft
brauchen". Das "Dobner", das "Beyer", der "Heinrichshof" sind die
Legenden der Künstlerwelt.
Dem Ur-Wiener Herman Leopoldi widmet Ernst Stankovski ein Kapitelchen
und ein angemessen umfangreiches dem Operetten-Librettisten und
Schlager-Texter Fritz Löhner-Beda.
Friedl
Weiss-Delling, die "Tante Friedl" Stankovskis, eine Ikone der "Hölle"
wird ihrem hohen Rang der Wiener Kabarett-Szene entsprechend mit
Anekdoten gewürdigt, die sich als roter Faden durch das Programm
ziehen. Tragisch endete für viele kritische Geister, zumal unter den
jüdischen Wiener Kabarettisten das Leben unter der braunen
Gewaltherrschaft. Auch das vergißt Stankovski nicht. Das
"Buchenwald-Lied" von Löhner-Beda und Leopoldi und Stankovskis
"Abgesang auf die Hölle" wecken schlimme Erinnerungen. Die dennoch
vergnüglichen, aufschlußreichen und höchst unterhaltsamen 70 Minuten
von "Keine Spur von Literatur", dem ultimativen Querschnitt durch die
"Höllen"-Geschichte, müssen jedem Freund des Kabaretts ans Herz gelegt
werden.
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Ernst Stankovski
Keine Sur von Literatur
Ernst Stankovski - Moderation, Klavier, Gesang
(P) + © 2006 kip records
Titel:
1. Begrüßung 2:44
2. Der Gast 5:08
3. Die Höllenkünstler 1:04
4. Seelenwanderung 3:52
5. Ballade 1:40
6. Die Hölle im Himmel 7:26
7. Kabarett, Cabaret und die Tante 7:22
8. Wien und das Kaffeehaus 1:40
9. Von Veronika zur Monotonie 4:20
10. Vom Ringelspiel zu Ringelnatz 4:20
11. Was braucht der Wiener 3:36
12. Ausgerechnet Bananen 4:20
13. In Nischninowgorod 4:20
14. Über Friedl Weiss, Hitler und
politisches Cabaret 4:20
15. Das Buchenwaldlied 3:18
16. Abgesang auf Cabaret und Hölle
5:08
Gesamtzeit: 1:09:50
Weitere Informationen unter:
www.kip-media.de
www.ernst-stankovski.com
Bitte lesen sie auch:
www.musenblaetter.de
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