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Werner Heisenberg
Die Verknüpfung von Physik und Philosophie
darin: W.A. Mozart, Klavierkonzert d-Moll KV 466

Dokument einer großen Kulturleistung


Von Stefan Schmöe

Mitunter erhält Musik durch den Kontext, in dem sie erklingt, eine höhere Bedeutung, die über eine musikimmanente Interpretation durch den Künstler weit hinausgeht. Die hier vorliegende Aufnahme des d-Moll-Konzerts von Mozart mit Werner Heisenberg, einem der überragenden Physiker des 20. Jahrhunderts, als Solist am Klavier ist ein solcher Fall, und sie ist ein Glücksfall sondergleichen. Es handelt sich dabei um die Privataufnahme eines Konzert im Hause Heisenbergs vom 3. Juli 1966. Die Aufführung war eine Geburtstagsüberraschung für Heisenbergs Frau Elisabeth; das Orchester setzte sich aus Verwandten, Freunden und Bekannten der Familie sowie Musikstudenten zusammen. Dirigent war Heisenbergs Schwiegersohn Frido Mann, Enkel Thomas Manns, der Musik studiert hatte, die Musikerkarriere allerdings aufgab (und nach einer erfolgreichen Karriere als Professor der Psychologie als Schriftsteller hervorgetreten ist).

Man mag kaum glauben, dass sich eine Aufführung von doch beachtlichem Niveau im privaten Rahmen realisieren ließ, und man kann darin einen Nachhall eines selbstbewussten Bürgertums heraushören, in dem Heisenberg aufwuchs und für das Kunst und Kultur selbstverständlicher Bestandteil des Lebens war. Heisenberg ist Exponent einer Generation von Physikern, deren philosophisches Weltbild durch neue physikalische Erkenntnisse erschüttert wurde, weil die Kausalität (also das Prinzip, dass jedes Ereignis zumindest theoretisch eindeutig aus einer Ursache abgeleitet werden kann) infrage gestellt wurde. Die „Heisenbergsche Unschärferelation“ (die besagt, dass aus grundsätzlichen Überlegungen niemals alle Messgrößen eines Systems gleichzeitig eindeutig bestimmt sein können) ist die griffigste Formulierung dieses Dilemmas. Das Ringen um eine philosophische Verankerung der „neuen“ Physik im kulturhistorischen Kontext – zu dem für Heisenberg auch die Musik gehört – ist eine großartige Leistung, die im heutigen auf Effizienz und Vermarktung von Wissen ausgerichteten Forschungsbetrieb schnell unterschätzt wird.

Das kleine Kölner Label supposé hat es sich zur Aufgabe gemacht, originale Mitschnitte von Vorträgen berühmter Persönlichkeiten im Grenzbereich von (Natur-)Wissenschaft und Philosophie auf CD zu veröffentlichen. Die Verknüpfung von Physik und Philosophie ist, angelehnt an einen Vortrag, den Heisenberg 1967 in Leipzig gehalten hat und der auf dieser Aufnahme dokumentiert ist, auch der Titel dieser Doppel-CD. Zwei rund 50-minütige Referate (neben dem erwähnten noch eines unter dem Titel „Die Abstraktion in den modernen Naturwissenschaften“ vom Juni 1962, gehalten im Max-Planck-Institut München) bilden den Kern der Aufnahme. Darin zeigt Heisenberg in klarer, auch für (einiger Fachbegriffe wegen vorgebildete) Laien verständlicher Sprache ungemein faszinierend erkenntnistheoretische Grundlagen der Physik auf. Der Blick über die Fachdisziplin hinaus, ohne deren festes Fundament zu verlassen, eröffnet ein weites Panorama, ohne ins Spekulative abzugleiten.

Am Rand streift Heisenberg den Kunstbegriff der Nachkriegszeit und wirft dabei die Frage auf, ob die zunehmende und in ihrer Effizienz überwältigende Abstraktion in den Naturwissenschaften ein Pendant in der zeitgenössischen Kunst hat. Die Antwort darauf zu geben hätte er selbst wohl für vermessen gehalten; man ahnt aber die Skepsis. Dies allein ist weniger Verknüpfung mit der Mozart-Einspielung als vielmehr das Empfinden der Ästhetik in der Wissenschaft, das Heisenberg explizit anspricht. Die Schönheit einer naturwissenschaftlichen Theorie ist für ihn ein legitimes Indiz für ihre Richtigkeit. Implizit durchzieht diese Haltung beide großen Vorträge, und das Staunen über das Entdecken und Enthüllen der Naturgesetze scheint im Raum zu schweben. Auch das gehört zum Kontext, in dem Mozart hier steht: Die Annäherung an etwas Unfassbares, Überwältigendes. So dokumentieren diese beiden CDs in wunderbarer Weise viel vom Stand unserer Kultur.

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Werner Heisenberg
Die Verknüpfung von Physik und Philosophie
Originaltonaufnahmen 1951 - 1967

darin:
Wolfgang A. Mozart:
Klavierkonzert d-Moll KV 466



CD1:
"Aus meinem Leben"
Tonbandvortrag, Max-Planck-Institut für
Physik und Astrophysik
München, 14. Juli 1962

"Die Verknüpfung philosophischer und physikalischer Probleme"
Vortrag in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
Leipzig, 25. November 1967

"Über die friedliche Nutzung der Atomenergie"
Vortrag, Tagung der Max-Planck-Gesellschaft
München, 14. September 1951

CD2:
"Die Abstraktion in den modernen Naturwissenschaften"
Tonbandvortrag, Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik
München, 14. Juli 1962

Hausmusik bei Heisenbergs
Wolfgang A. Mozart:
Konzert für Klavier und Orchester d-Moll KV 466

Werner Heisenberg, Klavier
Dirigent: Frido Mann
Privataufnahme im Hause Heisenbergs,
München, 3. Juli 1966

© + (P) supposé Köln 2006
ISBN 3-932513-65-7
2 Audio-CDs, 154 Minuten

Weitere Informationen
www.suppose.de






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